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Streit um die Apothekenreform

Von: Mirko Besch

Apothekenreform, Lieferengpässe, Apothekenstreiks, Apothekenkrise oder Apothekensterben – in den vergangenen Monaten gab es viele Schlagzeilen rund um die Geschäfte, in denen Arzneimittel verkauft und auch hergestellt werden. Worum geht es?

Hinweis einer geschlossenen Apotheke in Neuhofen bei Ludwigshafen. Am 15. November 2023 blieben aufgrund des bundesweiten Protesttages viele Apotheken geschlossen.
© IMAGO / Herrmann Agenturfotografie

Immer weniger Apotheken in Deutschland

Die Zahl der Apotheken in Deutschland geht mit immer rasanterer Geschwindigkeit zurück. Mit 17.733 Apotheken wurde am Ende des dritten Quartals 2023 ein neuer historischer Tiefstand erreicht (Ende 2022: 18 068). Weniger Apotheken gab es zuletzt vor 44 Jahren (1979: 17.296). Für Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), ist vor allem der immer größer werdende wirtschaftliche Druck dafür ausschlaggebend: „Durch Lieferengpässe, Personalmangel und eine unzureichende Vergütung ist die Lage der Apotheken extrem angespannt.“

Die Apothekerinnen und Apotheker fordern daher unter anderem eine deutliche Anhebung der Festpreisvergütung auf zwölf Euro. Bisher erhalten sie für jedes an gesetzlich Versicherte abgegebene verschreibungspflichtige Arzneimittel 8,35 Euro plus drei Prozent des Medikamenten-Einkaufspreises als Zuschlag. Dieser Satz ist jedoch seit mehr als zehn Jahren nicht erhöht worden.

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hat allerdings andere Vorstellungen. Er will zwar den Fixbetrag pro Arzneimittel bis 2026 auf 8,73 Euro erhöhen, dafür aber den Zuschlag im gleichen Zeitraum auf zwei Prozent senken.  

Diese Regelung, so der Bundesgesundheitsminister, käme Apotheken auf dem Land zugute, weil sie weniger hochpreisige Medikamente ausgeben als Stadtapotheken. Lauterbachs Ziel ist eine gerechtere Verteilung der Honorare, um Anreize für neue Niederlassungen zu schaffen – vor allem in ländlichen Gebieten. Darüber hinaus möchte er die ständige Anwesenheitspflicht von Apothekerin oder Apotheker für Filialapotheken aufheben. Stattdessen sollen erfahrene Pharmazeutisch-Technische Assistentinnen (PTA) die Medikamentenausgabe zeitweilig übernehmen dürfen. Beratungen und andere Dienste könnten Apothekerinnen und Apotheker auch über eine Videoverbindung, sprich per Telepharmazie, anbieten.

Apotheken wehren sich gegen die Reformpläne

Seit Monaten setzt sich die Apothekerschaft gegen die Reformpläne zur Wehr: Nach einem ganztägigen bundesweiten Protesttag am 14.  Juni 2023 und mehrstündigen Schließungen am 27. September blieben die meisten Apotheken in Deutschland an einzelnen Tagen im November geschlossen.

Die ABDA sieht durch die Reform die Arzneimittelversorgung vor Ort in Gefahr. „In der Öffentlichkeit erklärt der Minister, mit dieser Maßnahme insbesondere kleinen Apotheken zu helfen. Das ist aber nicht der Fall – auch kleine Apotheken geben hochpreisige Arzneimittel ab“, heißt es in einer Stellungnahme. Auf Grundlage der bislang bekannten Zahlen bewirke die Umstellung nach ABDA-Berechnungen insgesamt eine Kürzung der Vergütung. Zudem seien die geplanten Anstiege des Fixums viel zu niedrig, um die Mindereinnahmen aus der Margen-Absenkung zu verkraften.

Viele Apotheken sollen künftig keine Notdienste oder Arzneimittel-Herstellungen mehr anbieten müssen. Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, lehnt diese Vorschläge ab: „Das wäre ein direkter Weg in eine Zwei-Klassen-Versorgung der Patientinnen und Patienten.“ Eine Video-Zuschaltung eines Apothekers oder einer Apothekerin hält Benkert ebenfalls für inakzeptabel. „Das Risiko für Fehleinschätzungen, ob in bestimmten Beratungssituationen die apothekerliche Kompetenz in Anspruch genommen werden muss, läge allein im Ermessen der PTA und würde damit steigen.“ Dies gefährde die Patientensicherheit.