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Starthilfe für chronisch kranke Menschen

Von: Jörg Ciszewski

Für junge Menschen mit einer chronischen Erkrankung ist der Berufseinstieg oft mit Problemen verbunden. Die Stiftung „aktion luftsprung“ hilft mit persönlichem Coaching und Stipendien.

Junge Frau sitzt in einem Rollstuhl. Sie befindet sich in einer Bibliothek.
© IMAGO / Panthermedia

Engagement für Jugendliche mit chronischen Erkrankungen

Volker Potthoff hat in seinem Beruf viel erreicht. Der 69-jährige Jurist arbeitete unter anderem als Anwalt für eine Kanzlei in New York und war Vorstandsmitglied der Deutschen Börse AGkurz fürAllgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Als seine Tochter vor 33 Jahren mit der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose zur Welt kam, hat sich sein Leben verändert. Er begann, sich für Kinder mit chronischen Erkrankungen zu engagieren und übernahm die Patenschaft für zwei Geschwister mit Mukoviszidose, die bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufwuchsen.

„So fing alles an“, erinnert sich Potthoff rückblickend. Mit weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern rief er vor elf Jahren die private Stiftung „aktion luftsprung“ ins Leben. Sie unterstützt junge Menschen mit chronischen Erkrankungen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder der Finanzierung des Studiums. Potthoffs Ehefrau ist mit ihm im Vorstand der Stiftung tätig und seine Tochter als Psychologin Teil des Teams.

Die Stiftung bietet Seminare, Coachings und psychologische Begleitung für den Einstieg in den Beruf an. Im Programm „fit4job“ etwa können junge Menschen an einem zweitätigen Workshop teilnehmen. Dabei geht es um praktische Bewerbungstipps, aber auch um den Umgang mit der Krankheit und die Analyse von Zielen. Ein Team von Fachleuten berät darüber hinaus individuell und steht mit Rat und Tat zur Seite.

Mit Ehrgeiz zum Ziel

Zudem verleiht die Stiftung „Campus“-Stipendien an Studierende, die Unterstützung brauchen, um ihre Ziele zu erreichen. Einer von ihnen ist Abdullah*, der seinen Familiennamen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der 33-Jährige leidet an einer Form der Mukoviszidose, die vor allem die oberen Atemwege betrifft, und muss regelmäßig inhalieren. Obwohl die Krankheit ihn viel Kraft kostet und die Therapie zeitaufwendig ist, hat er an seinem ehrgeizigen Ziel, Arzt zu werden, stets festgehalten. Die ersten fünf Jahre seines Medizinstudiums an der Charité in Berlin hat er sich mit Nebenjobs finanziert. Er arbeitete in einer Fabrik für Backwaren, als Sitzwache in einer Klinik und als Reinigungskraft – was nicht lange gut ging. Die verwendeten Putzmittel und der Staub verschlimmerten die Krankheitssymptome.

Als das praktische Jahr als Arzt in einem Bundeswehrkrankenhaus anstand, bewarb er sich bei der „aktion luftsprung“ für ein Stipendium. Die Stiftung lud ihn nach Frankfurt ein, wo er sich den Fragen des Bewilligungsausschusses stellte – und überzeugen konnte. Er erhielt ein Jahr lang ein Stipendium in Höhe von 500 Euro monatlich. Zudem bekam er vom Krankenhaus 300 Euro im Monat.

So konnte er sich auf seine Arbeit und die Ausbildung konzentrieren. Die Schichten dauerten nicht selten zwölf Stunden, und er übernahm 24-Stunden-Dienste – die Therapie holte er zu Hause nach. Sein Stipendium wurde ausnahmsweise um ein halbes Jahr verlängert, damit er sich auf die Promotion vorbereiten konnte. „Diese Unterstützung war für mich perfekt“, sagt er rückblickend.

Heute ist er Internist in Weiterbildung an der Universitätsklinik in Mainz. Der Stiftung ist er sehr dankbar und verbunden. Er versucht, an den regelmäßigen Treffen der ehemaligen Stipendiatinnen und Stipendiaten teilzunehmen.

Wachsendes Interesse

Stiftungsgründer Volker Potthoff freut sich über eine gute Zwischenbilanz: Bislang hat die „aktion luftsprung“ bereits 42 „Campus“-Stipendien verliehen, jährlich sind es mindestens fünf. Die Bewerberzahlen lagen zuletzt bei 100 beziehungsweise 120 in den vergangenen zwei Jahren. Im Rahmen des Programms „fit4jobs“ gab es vier Workshops mit 35 Teilnehmenden.

Marielle Meier aus München leidet auch an Mukoviszidose und hat mit Hilfe der Stiftung nach einer beruflichen Umorientierung Anfang September eine Ausbildung zur Mediendesignerin begonnen. Sie stand zuvor in engem Austausch mit Elke Werner, der Team-Leiterin bei „fit4job“. Eine detaillierte Potenzialanalyse, viele Telefongespräche und gemeinsame Recherchen schafften das Fundament dafür, dass die 30-Jährige sich eigeninitiativ bei dem Ausbildungsbetrieb vorstellte – und die Stelle bekam. Sie habe sich durch die Arbeit mit Elke Werner und deren Team besser kennengelernt und sich mehr zugetraut, erzählt sie.

Wichtige Eigenschaften

Großteils finanziert sich die Stiftung durch Eigenkapital der Familie Potthoff. Darüber hinaus erhält sie neben Spenden auch Unterstützung von der Stiftung BNP-Paribas und von Unternehmen. Den Kontakt zu mittelständischen Unternehmen möchte Volker Potthoff ausbauen und sie von der Einstellung chronisch kranker Menschen überzeugen. „Ich weiß, dass es vielleicht noch Berührungsängste gibt. Doch Menschen mit chronischer Erkrankung haben einen großen Vorteil – sie haben gelernt, mit Hürden umzugehen, um ihr Ziel zu erreichen. Das sind wertvolle Eigenschaften.“

Kontakt zur aktion luftsprung

aktion luftsprung – Stiftung für chronisch schwerstkranke Kinder und Jugendliche

Externer Link:https://aktion-luftsprung.de/