Kategorie Aktuelle Meldung Pflege Pflege im Heim

Geschäfte auf dem Rücken der Alten und Kranken

Von: Jörg Ciszewski

Heimbewohner verlieren ihr Zuhause, weil sich ein Pflegekonzern und ein Immobilienfonds nicht über eine Sanierung einigen. 

Hand einer Pflegerin hält die einer älteren, bettlägrigen Patientin
© IMAGO / Zoonar

Schock: Pflegebedürftige müssen sich ein neues Zuhause suchen

Am Beispiel eines Pflegeheims in einer niedersächsischen Gemeinde wird deutlich, welchen Schaden Großunternehmen auf dem Pflegemarkt anrichten können. Das „Haus an den Moorlanden“ muss schließen, weil Betreiber und Vermieter sich nicht über eine Sanierung einigen. Zurück bleiben traumatisierte Bewohnerinnen und Bewohner und wütende Angehörige.

VdK-Mitglied Peter Lenk hat seinen Vater, seine Tochter und seine Schwiegermutter in verschiedenen Pflegesituationen begleitet. Dabei hat der 69-Jährige vieles erlebt. Doch was der Mutter des Hamburgers in dem Pflegeheim „Haus an den Moorlanden“ in Neu Wulmstorf wiederfahren ist, macht ihn fassungslos.

Die Einrichtung hatte im Juli die rund 75 Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen per Rundmail informiert, dass sie Ende Oktober schließt. Ein Schock vor allem für die betagten Betroffenen, die ein neues Zuhause suchen müssen, und ihre Familien.

Probleme gab es mit der Einrichtung schon länger. Seit einiger Zeit stritten sich der Heimbetreiber und der Vermieter über dringend notwendige Sanierungen. Mehrfach war die Heizung ausgefallen, und die Wasserleitungen waren defekt. Gerüchte über eine Schließung kursierten. Dennoch kam die Nachricht am 7. Juli über die Schließung überraschend, auch weil der Betreiber noch im Frühjahr gegenüber einer Regionalzeitung die Einstellung des Pflegebetriebs ausgeschlossen hatte. Offenbar konnten sich Vermieter und Betreiber dann nicht über die Baumaßnahmen einigen, sodass sie das Mietverhältnis kündigten.

Bewohnerinnen und Bewohner haben Angst und Alpträume

Die Leidtragenden sind die Bewohnerinnen und Bewohner: Seine 89-jährige Mutter hat wegen der ganzen Querelen um die Einrichtung nicht mehr gut geschlafen, erzählt Lenk. Die Unsicherheit habe ihr Angst gemacht. Als die Schließung feststand, plagten sie Alpträume und Zukunftsängste.

Die beiden Unternehmen, die beim „Haus an den Moorlanden“ zusammenarbeiten, machen in ganz Deutschland und in anderen Ländern Geschäfte in der Pflege-Branche. Vermieter der Einrichtung ist die in Hamburg ansässige IMMAC Holding AGkurz fürAllgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Dieser Immobilienfonds besitzt eine Vielzahl an Pflegeimmobilien, für die eigene Renditefonds gegründet worden sind. Für das „Haus an den Moorlanden“ entstand zum Beispiel die IMMAC Pflegezentrum Neu Wulmstorf Renditefonds GmbH & Co. KG mit rund 120 privaten Anlegern.

Betreiber des Pflegeheims ist die Korian Deutschland GmbH, die zum französischen Konzern Korian gehört. Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und betreibt mittlerweile Pflege- und Seniorenheime unter anderem auch in Belgien, Italien, den Niederlanden und Spanien.

Für die Schließung Verantwortung übernehmen will niemand von beiden: Der Betreiber schiebt dem Eigentümer den schwarzen Peter zu, weil die Schäden nicht behoben wurden. Der wiederum beklagt, dass eine Sanierung nicht möglich war, weil kein Ausweichquartier für die Bewohnerinnen und Bewohner für die Zeit der Bauarbeiten gefunden wurde. Was nach der Schließung mit der Immobilie geschieht, ist noch unklar.

Immer mehr Betreiber von Pflegeheimen gehen Pleite

Peter Lenk hat den Eindruck, dass der Immobilienbesitzer mit der Kündigung nicht unglücklich ist, weil er das Haus so neu und lukrativer vermieten oder verkaufen kann. Schließlich erwarten die Anleger ordentliche Renditen. Mit Investitionen in Pflegeheimen sind die allerdings längst nicht mehr gesichert.

Im Gegenteil: Immer mehr Betreiber gehen pleite. Die Gewinne schrumpfen, etwa weil Einzelzimmervorschriften in manchen Landesgesetzen hohe Investitionen notwendig machen, Pächter ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen und das Personal aufgrund der gestiegenen Löhne mehr Geld kostet. Die hohen Energie- und Lebensmittelkosten tun ihr übriges. Die Pleitewelle verschärft den Mangel an Pflegeplätzen in Deutschland.

VdK-Präsidentin Verena Bentele sieht die Ursache für diese Entwicklung in der Privatisierung von Pflegeinfrastruktur, die in den 1990er-Jahren begann. „Letztlich zeigt die aktuelle Situation, dass die Privatisierung von Pflege- und Gesundheitsleistungen ein Fehler war und am Ende auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird. Die Leidtragenden sind die Pflegebedürftigen, die zum Teil kurzfristig ausziehen müssen und immer weniger Pflegeplätze vorfinden.“

VdK fordert: Gewinne begrenzen

Gute Pflegeheime müssten Teil der Daseinsvorsorge sein, die der Staat für seine Bürgerinnen und Bürger vorhält. Wenn dafür private Unternehmen ins Boot geholt werden, müssen deren Gewinne begrenzt werden, so Bentele. Der Staat müsse wieder die Kontrolle darüber erlangen, wie Leistungen der Pflegeversicherung und Steuergelder in der stationären Pflege ausgegeben werden. „Wir erhoffen uns dadurch, dass aktienorientierte Großunternehmen das Interesse am deutschen Pflegemarkt verlieren und sich wieder verstärkt regionale Anbieter – ob kommunal oder andere gemeinnützige Unternehmen – engagieren“, so Bentele.

Peter Lenks Mutter wohnt mittlerweile in einer Pflegeeinrichtung des DRK. „Wir hatten Glück, dass wir so kurzfristig einen Platz in der Nähe gefunden haben.“ Auch wenn sich seine Mutter noch eingewöhnen muss, sind sie zufrieden. „Der erste Eindruck von dem Haus ist sehr positiv.“

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