„Wir sind ein schlagkräftiger Verband“: Verena Bentele im Gespräch mit Ulrike Mascher
Der VdK wird 75 Jahre alt. In diesen Jahren konnte der VdK viel bewegen. VdK-Chefin Verena Bentele spricht dazu mit Amtsvorgängerin und VdK-Ehrenpräsidentin Ulrike Mascher.
Aus Anlass des 75-jährigen Bestehens des VdK spricht Präsidentin Verena Bentele mit ihrer Amtsvorgängerin und VdK-Ehrenpräsidentin Ulrike Mascher über wichtige Meilensteine auf dem Weg zum größten Sozialverband Deutschlands. Das Erfolgsrezept des VdK sind die Menschen, die mit ihrer engagierten Arbeit im Ehren- sowie im Hauptamt den Verband zu einer kraftvollen Bewegung für soziale Gerechtigkeit machen.
Jeder Abgeordnete, jeder Minister, jeder Oberbürgermeister weiß ganz genau, wenn die Vertreter und Vertreterinnen des VdK kommen, da stehen zweieinhalb Millionen Mitglieder hinter ihnen und das ist im Grunde genommen die Währung, die zählt.
Verena Bentele: Liebe Ulrike, Du warst bei Deinem Amtsantritt im Jahr 2008 die erste Frau an der Spitze des VdK. Gab es Vorurteile, die Dir begegnet sind von den Männern in unserem Verband?
Ulrike Mascher: Es gab sicher einige Männer, die der Meinung waren, sie könnten das viel besser. Im VdK gibt es aber schon seit der Gründungszeit viele Frauen. Damals waren es die Kriegswitwen mit Kindern, inzwischen sind es viele, die sich beim VdK ehrenamtlich engagieren. Man muss sie nur ermutigen.
Bentele: Ich hatte das Riesenglück, dass ich den VdK als große Interessensvertretung geführt von einer Frau, nämlich von Dir, kennengelernt habe. Als ich mich in der Bundesregierung als Behindertenbeauftragte engagierte und Du VdK-Präsidentin warst, wurde ich von Dir angesprochen. Das war für mich eine besondere Unterstützung. Wie entscheidend war das für Dich, dass du eine Frau als Nachfolgerin fördern konntest?
Mascher: Für mich war das ein entscheidender Punkt. Für mich war aber auch wichtig, dass wir mit Dir eine Selbstbetroffene haben. Eine, die aus eigener Erfahrung wusste, wie man sich da durchkämpfen muss.
Bentele: Unser VdK wird 75 Jahre alt. Was macht für Dich den Erfolg unseres Verbands aus?
Mascher: Ein Erfolgsrezept ist die Verbindung von sehr engagierten ehrenamtlichen und qualifizierten hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zum Beispiel in der Rechtsberatung Tag für Tag wertvolle Arbeit leisten. Man muss sich ja vorstellen, dass in der juristischen Ausbildung Sozialrecht keine Rolle spielt. Obwohl Sozialrecht so entscheidend ist für die Lebenssituation von Millionen von Menschen, findet es in der Ausbildung kaum statt. Der VdK füllt diese Leerstelle und hat zudem schon ganz früh nach seiner Gründung angefangen, mit einer sehr offensiven Öffentlichkeitsarbeit auf die sozialen Probleme hinzuweisen. In den 1950er- und 60er-Jahren gab es riesige VdK-Demonstrationen. Da waren Kriegsversehrte dabei, die zum Teil auf ihren Rollwägelchen saßen, weil ihnen beide Beine fehlten. Ein Bild, das ich noch heute im Kopf habe. Da hat sich wirklich viel verbessert, auch dank des VdK.
Bentele: Besonders fasziniert mich am VdK, dass wir eine Mischung aus ganz unterschiedlichen Menschen sind. Wir haben tolle engagierte Ehrenamtliche, die vor Ort die Menschen unterstützen, die von der Informationsveranstaltung bis hin zur Faschingsfeier vieles möglich machen, was gegen Einsamkeit wirkt und Menschen zusammenbringt. Und wir sind ein wirklich starker Verband, der auch politisch schon viel erreichen konnte. Zum Beispiel haben wir die Ergänzung des Artikels 3 im Grundgesetz um den Zusatz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ in den 1990er-Jahren durchgesetzt. Damals war Walter Hirrlinger VdK-Präsident. 2002 wurde das Behindertengleichstellungsgesetz verabschiedet, 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, 2009 habt ihr mit Dir als Präsidentin die Rentengarantie erreicht. Das sind tolle Wegmarken, die wir gemeinsam geschafft haben als Sozialverband VdK. Sie zeigen, dass wir ein schlagkräftiger Verband sind.
Wir werden nicht nachlassen, unsere Ziele zu verfolgen. Politisch ist für uns das Allerwichtigste, für soziale Gerechtigkeit einzustehen.
Mascher: Jede Abgeordnete, jeder Minister, jede Oberbürgermeisterin weiß genau, wenn die Vertreterinnen und Vertreter des VdK kommen, dann stehen mittlerweile 2,3 Millionen Mitglieder hinter ihnen. Das ist für Politiker die Währung, die zählt. Das sind alles potenzielle Wählerinnen und Wähler.
Bentele: Wir werden nicht nachlassen, unsere Ziele zu verfolgen. Politisch ist für uns das Allerwichtigste, für soziale Gerechtigkeit einzustehen. Das heißt, dass wir für Sozialversicherungssysteme kämpfen, an denen sich alle beteiligen. Alle Erwerbstätigen, alle Selbstständigen, Beamtinnen, Beamte, Politikerinnen und Politiker sollen in die Rentenversicherung und die Krankenversicherung und alle anderen sozialen Sicherungssysteme einzahlen. Das ist für uns eine wichtige Forderung, an der wir in den nächsten Jahren dranbleiben.
Zu den Personen
Ulrike Mascher (86) wurde 2006 zur Landesvorsitzenden des VdK Bayern gewählt. Danach war sie von 2008 bis 2018 als erste Frau Präsidentin des VdK Deutschland. Als ihre Nachfolgerin empfahl sie Verena Bentele (42), die auf dem VdK-Bundesverbandstag im Mai 2018 zur Präsidentin gewählt wurde. Im Jahr 2023 bestätigten die Delegierten des Bundesverbandstages sie einstimmig im Amt.