VdK-Mitglied mit ALS: Die Krankheit ist schneller als die Behörden
VdK-Mitglied Claudia Albreit erhielt die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Nun kämpfen sie und ihr Mann mit Unterstützung des VdK nicht nur gegen das rasche Fortschreiten dieser Erkrankung, sondern auch mit Kassen und Behörden.
Es dauert alles viel zu lange. Das ist alles meine Lebenszeit, und ich bin nicht die einzige, der es so geht.
Was ist ALS?
Bei der Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose werden die motorischen Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark geschädigt, was zu einer Lähmung führt. Bei einer ALS kommt es zu einer fortschreitenden Lähmung der Muskulatur. Arme, Beine und Rumpf sind davon betroffen, aber auch Zunge, Gaumen und Kehlkopf.
Bei Claudia Albreit ist die Erkrankung innerhalb eines Jahres so weit vorangeschritten, dass sie nur noch mittels Sprachcomputer, den sie mit ihren Augen steuert, mit ihrer Familie kommunizieren kann. ALS ist nicht heilbar. Der Krankheitsverlauf kann jedoch verlangsamt werden.
Verlust der Mobilität
„Angefangen hatte alles im Mai 2023. Beim abendlichen Geschichtenvorlesen ist mir aufgefallen, dass ich manche Wörter nicht so gut betonen kann“
, erinnert sich die zweifache Mutter. Zunächst dachte sie sich nichts dabei. Als es schlimmer wurde, suchte sie die Hilfe von Ärzten. Nach mehreren Wochen und einer Vielzahl von Untersuchungen stand schließlich die Diagnose fest: ALS.
Dann ging alles recht schnell: „Mein rechtes Bein wurde schwächer, dann der rechte Arm. Seit März habe ich eine PEG-Sonde, einen Zugang in den Magen, und werde fast ausschließlich künstlich ernährt. Seit Juli benutze ich regelmäßig ein Beatmungsgerät. Die linke Seite ist auch schon betroffen sowie die Halsmuskulatur“
, schreibt sie.
Von Monat zu Monat verlor die 46-Jährige zunehmend ihre Mobilität. Anfangs konnte sie noch Rad fahren, mittlerweile sitzt sie im Rollstuhl. Mit Fortschreiten der Erkrankung braucht sie immer mehr Hilfe. Im Juli und August hat sich ihr Gesundheitszustand nochmals verschlechtert, sodass die Familie nun auf der Suche nach einer Pflegeperson ist.
„Es dauert alles viel zu lange“
Eine große Hilfe ist ihr Mann. Er übernimmt vieles im Alltag für sie, geht weiterhin zur Arbeit, pflegt sie und kämpft mit den Behörden. „Wir lernen jeden Tag aufs Neue, mit der Krankheit umzugehen“
, berichtet Albreit. Dazu gehört auch, sich im Dschungel des Gesundheitssystems zurechtzufinden. Vieles ist mühselig: Hilfsmittel koordinieren, Anträge bei der Krankenkasse stellen, Pflegegrad und einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Dabei steht der Familie der Externer Link:VdK-Kreisverband Nürnberg zur Seite und unterstützt sie von der Antragstellung bis zum Widerspruch.
Dennoch: „Es dauert alles viel zu lange“
, sagt Claudia Albreit. „Das ist alles meine Lebenszeit, und ich bin nicht die einzige, der es so geht.“
Ihre Erfahrung: Krankenkassen würden grundsätzlich erst einmal alles ablehnen. „Erst Monate später bekommt man einen Rollstuhl, den man dann schon nicht mehr bedienen kann.“
Wurde ein Antrag endlich bewilligt, muss schon wieder ein neuer gestellt werden, weil die Erkrankung weiter vorangeschritten ist. Sie würde sich wünschen, dass Kassen und Behörden bei schweren Erkrankungen wie ihrer schneller und unbürokratischer arbeiten.
Leistungen kommen zu langsam an – oder gar nicht
„Dieses Schicksal zeigt, dass die Leistungen zu langsam oder überhaupt nicht bei den Menschen ankommen – und das, obwohl sie einen Anspruch und einen unübersehbaren Bedarf haben“
, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Eine mögliche Lösung wäre hier die sogenannte Genehmigungsfiktion, die früher üblich war, wenn Pflege- und Krankenkassen Anträge nicht zeitnah bearbeitet haben: Werden Leistungen bei bestimmten Krankheitsbildern nicht innerhalb einer kurzen Frist abgelehnt, so gelten sie als genehmigt.“
Der Sozialverband VdK empfiehlt Patientinnen und Patienten mit rasch fortschreitenden Erkrankungen, sich Externer Link:an den VdK oder an die Externer Link:Patientenberatungsstelle zu wenden. Darüber hinaus haben die Kassen ebenfalls eine Beratungspflicht gegenüber ihren Mitgliedern. „Denkbar wäre aber auch, dass Menschen in besonderen Situationen einen kompetenten Ansprechpartner zur Seite gestellt bekommen, der die Anträge direkt und ohne zeitlichen Verzug prüfen und genehmigen kann“
, schlägt Bentele vor.