VdK erstreitet Schwerbehindertenausweis für herzkrankes Mitglied
Für VdK-Mitglied Paul Jung erstritt eine VdK-Juristin einen Schwerbehindertenausweis, nachdem dieser zunächst abgelehnt worden war. Die Wendung im Fall brachte eine nicht eingescannte Aktenseite.
Nach einer schweren Herzoperation muss VdK-Mitglied Paul Jung (Name von der Redaktion geändert) mit den negativen gesundheitlichen Folgen leben. Eine bleibende Schädigung der Aorta und eine künstliche Herzklappe schränken seine Leistungsfähigkeit stark ein. Er beantragte die Feststellung einer Schwerbehinderung. Aber das zuständige Landratsamt Erzgebirgskreis lehnte ab. Erst als der VdK Sachsen für ihn Klage beim Sozialgericht einreichte, stellte sich der Erfolg ein. Mitentscheidend für die Wendung war eine nicht eingescannte Aktenseite.
Dramatische Stunden
Es waren dramatische Stunden an einem Sommertag Ende Juni 2018: Als seine Kollegen Paul Jung an dessen Arbeitsplatz bewusstlos auffanden, riefen sie den Rettungswagen. Die Sanitäter brachten den Mann ins Herzzentrum nach Leipzig. Die Ärzte stellten ein Aneurysma (Aufweitung) der Aorta fest. Dadurch war ein längsseitiger Riss in der Gefäßwand entstanden, der zu einer lebensgefährlichen inneren Blutung führte. Der Arzt konnte die Aorta mit einem Stent wiederherstellen. Außerdem erhielt Jung eine künstliche Herzklappe, und ein Teil des Aortenbogens wurde ersetzt. An die OPkurz fürOperation schloss sich ein Reha-Aufenthalt an.
Noch im Juli 2018 stellte Jung wegen der gesundheitlichen Einschränkungen nach der Herzoperation einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung. Gut sieben Monate später kam die Enttäuschung per Post: Das Amt sah die Voraussetzungen für einen Schwerbehindertenausweis als nicht erfüllt an, sondern stellte lediglich einen GdBkurz fürGrad der Behinderung von 30 fest.
Fehler beim Einscannen der Akte
Für die Entscheidung habe das Amt die medizinischen Unterlagen der behandelnden Ärzte berücksichtigt, hieß es. Bei der Zurückweisung des danach gestellten Widerspruchs bezog sich das Amt auf einen Befund aus dem Januar 2019, der dem Patienten „ein gutes Operationsergebnis und eine regelrechte Durchblutung der Organe“ attestierte. Es blieb bei einem 30 GdBkurz fürGrad der Behinderung.
Jung ließ diese Entscheidung nicht auf sich beruhen und holte sich Hilfe bei VdK-Juristin Kathleen Puschbeck. Als sie die Klageschrift für das Sozialgericht Chemnitz vorbereitete, fiel ihr etwas auf. In der Verwaltungsakte zum Fall, die sie vom Gericht angefordert hatte, fehlten Seiten eines Berichts, in dem die gesundheitliche Verfassung des Patienten nach der Operation beurteilt wurde. Die Seiten mit geraden Ziffern waren nicht eingescannt worden. Somit war davon auszugehen, dass dem Amt eine unvollständige Akte vorgelegen hatte. Auch das Gericht hatte durch dieses Versehen keine Kenntnis von der vielleicht entscheidenden Passage, die auf Seite 6 stand.
Mitglied werden
Auf diese Passage bezog sich VdK-Juristin Puschbeck in ihrer Klagebegründung. Dort heißt es in einer Beurteilung des postoperativen Gesundheitszustands, dass auch nach der OPkurz fürOperation noch eine „Restdissektion“ vorlag. Das heißt, dass die Aufspaltung der Wandschichten der Hauptschlagader nicht ganz geschlossen werden konnte. „Damit besteht weiter ein Aneurysma, was latent die Gefahr eines neuen Risses der Aorta birgt“, schrieb sie in ihrer Klagebegründung. Eine Einblutung könnte erneut lebensgefährlich sein. Puschbeck legte außerdem dar, dass das große Aneurysma mit einem GdBkurz fürGrad der Behinderung von wenigstens 50 zu bewerten sei.
Wegen der Einschränkung durch diese Restdissektion sei eine Schwerbehinderung festzustellen. Da dieser Teil des Befunds des Herzzentrums dem Amt allerdings wegen des Versehens beim Einscannen nicht vollständig zur Bewertung vorlag, „muss davon ausgegangen werden, dass der Beklagte einen anderen Sachverhalt bewertet hat“.
Amt lenkt ein
Puschbeck bat das Gericht um eine Überprüfung der vorherigen Entscheidung. Das Gericht gab ein medizinisches Gutachten über den aktuellen Gesundheitszustand in Auftrag. Als die Ergebnisse vorlagen, lenkte das Landratsamt schließlich ein. Aufgrund eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens erkenne man einen GdBkurz fürGrad der Behinderung von 50 ab Antragstellung an, hieß es schließlich. Für Kathleen Puschbeck macht der Fall deutlich, dass „manchmal eine einzelne Seite den Ausschlag dafür geben kann, ob ein Verfahren positiv oder negativ ausgehen kann“.