Tauchen ist Teamwork
Der 1. Berliner Inklusions-Tauchclub ist bislang der einzige Tauchverein Berlins, der auch Menschen mit körperlicher Behinderung aufnimmt. Zweimal in der Woche trainieren die Mitglieder gemeinsam.
Jeder Mensch hat das Recht auf Teilhabe, und das wollen wir hier jedem ermöglichen.
"Im Wasser fällt meine Behinderung nicht auf"
„Bereit?“ –
„Bereit“
, sagt Andreas Pergande und drückt sich mit einer gekonnten Bewegung mit dem Oberkörper aus seinem Rollstuhl, der am Beckenrand steht. Mit dem Rücken rutscht der Mann im Neoprenanzug an der Sitzfläche entlang, dann landet er im kühlen Wasser des Berliner Schwimmbads „Wilmersdorf II“. Dort wird er schon erwartet: Seine Tauchfreunde Henry Knat und Yasmin-Isabelle Kelnar helfen Pergande in die Weste mit der Pressluftflasche. Kurz darauf tauchen die drei ab. Gemeinsam schwimmen sie am Boden des Beckens entlang. Sie bleiben gut eine Viertelstunde unten. Als Pergande etwas außer Atem wieder auftaucht, strahlt er über das ganze Gesicht. Er stützt sich mit den Armen auf den Beckenrand, die gelbe Taucherbrille hat er hochgeschoben.
Pergande taucht regelmäßig zusammen mit dem 1. Berliner Inklusions-Tauchclub im Stadtbad oder im Freiwasser. „Ich finde gut, dass meine Behinderung nicht auffällt, wenn ich im Wasser bin“
, sagt er. „Außerdem kann man sich bewegen, ohne auf die Fresse zu fallen.“
Seit 1979 sitzt er nach einem Autounfall im Rollstuhl, erzählt Pergande. Vor drei Jahren ist er in den Tauchclub eingetreten. Anfangs habe er Respekt vor dem Wasser und dem Tauchen gehabt, doch die Neugier siegte. Inzwischen ist er großer Fan des Sports. „Es ist gut für meine Gesundheit“
, sagt er. Vier bis fünf Stunden nach dem Tauchen habe er zum Beispiel keine Spastik mehr. „Ich kann im Wasser gut abschalten. Das ist wie Schweben.“
Sein Leben in die Hände der anderen geben
Nur wenige Tauchvereine in Deutschland nehmen Menschen mit Behinderung auf. „Vielen sind Aufwand und Verantwortung zu groß“
, sagt Alfred-Georg Anlauf. Der 77-Jährige hat den 1. Berliner Inklusions-Tauchclub 2015 mit gegründet, um einem Bekannten mit Multiple Sklerose seinen Traum vom Tauchen zu erfüllen. Der hatte sich bei Anlauf, der einen Tauchladen und eine Tauchschule führte, beklagt, dass keine kommerzielle Tauchschule ihn aufnehmen und kein Arzt ihm eine Tauchtauglichkeitsbescheinigung ausstellen wollte. „So entstand die Idee, Menschen mit Behinderung das Tauchen beizubringen“
, erzählt Anlauf.
Inzwischen hat der Verein rund 40 Mitglieder. Die Menschen mit und ohne Behinderung treffen sich zweimal in der Woche. Der Zusammenhalt der Gruppe ist groß – und muss es auch sein, denn einige der Mitglieder legen regelrecht ihr Leben in die Hände der anderen. „Ich muss absolut darauf vertrauen können, dass die anderen unter Wasser alles richtig machen“
, sagt Janis McDavid. Er wurde ohne Arme und Beine geboren, braucht beim Tauchen daher Hilfe beim Ausgleich von Auftrieb und Abtrieb sowie beim Druckausgleich. „Ohne die anderen würde das definitiv nicht gehen“
, sagt er.
Verständigung per Zeichensprache
Zur Verständigung unter Wasser haben er und die anderen Mitglieder eine eigene Zeichensprache ausgemacht, die sie jetzt am Beckenrand auch noch einmal durchsprechen. „Anfangs war das schon sehr spannend, da kannte ich die Leute ja auch noch nicht“
, sagt McDavid. Dazu kam: Der 32-Jährige war als Kind einmal fast ertrunken und hatte seitdem Angst vor Wasser. Das habe sich erst im Sommer 2023 geändert, als er in Kolumbien nicht widerstehen konnte, das Tauchen auszuprobieren. „Ich wollte unbedingt die Unterwasserwelt sehen“
, sagt er.
Zu Hause wollte er dann seine Angst weiter überwinden und fand den Berliner Inklusions-Tauchclub. „Inzwischen kriegt man mich kaum raus aus dem Wasser“
, sagt McDavid. Im Neoprenanzug und mit Pressluftflasche auf dem Rücken wartet er am Beckenrand. Carola Zidan und Étienne Galvani helfen ihm ins Wasser, dann tauchen sie zu dritt ab.
Sport ohne Berührungsängste
Berührungsängste hat hier im Tauchclub niemand. „Da denkt man gar nicht drüber nach“
, sagt Zidan. „Beim Tauchen gehen eh alle locker miteinander um, und es ist auch für die Sicherheit wichtig, dass man sich nahe kommt.“
Für Galvani ist der Tauchclub zur zweiten Familie geworden. Eingetreten ist er vor drei Jahren. Die Idee, dass andere diesen Sport auch betreiben könnten, hatte ihn damals sofort gepackt. „Mein Vater war passionierter Taucher und konnte das nach einem Motorradunfall nicht mehr machen“
, erzählt er. „Hier hat man sich damit nicht zufriedengegeben, sondern sich gefragt, wie man es Menschen mit Behinderung ermöglichen kann.“
Es ist ein ganz schöner Aufwand, den die Vereinsmitglieder zweimal in der Woche betreiben: Pressluftflaschen ins Schwimmbad tragen, in Neoprenanzüge helfen, Tauchausrüstung vorbereiten, ins Wasser gehen, alles wieder ausziehen und verstauen. „Natürlich ist es viel Arbeit, aber wir machen das gern“
, sagt Carola Zidan. „Es ist so ein nettes Team und so ein netter Umgang.“
Alfred-Georg Anlauf pflichtet bei: Wenn er die Erfolge der Menschen mit Behinderung sieht, wenn sie strahlen und ein tolles Erlebnis haben, dann sei das auch für ihn ein großartiges Gefühl. „Jeder Mensch hat das Recht auf Teilhabe, und das wollen wir hier jedem ermöglichen.“
Kontakt zum Verein
1. Berliner Inklusions-Tauchclub e.V.
Externer Link:www.tcb-siemensstadt.de