Bürgergeld: Sammelbecken für Menschen in Problemlagen
Kritikerinnen und Kritiker fordern immer mal wieder, dass die Regelsätze des Bürgergelds zu senken. Doch wer erhält eigentlich Bürgergeld? Und wen würden solche Kürzungen treffen?
Das Bürgergeld ist die Sozialleistung für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht komplett allein bestreiten können. In Deutschland gibt es rund 5,6 Millionen Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger in sehr unterschiedlichen Lebenslagen. Zwischen Arbeiten, dem Warten auf die Alters- oder die Erwerbsminderungsrente oder dem Suchen nach der passenden Reha-Maßnahme liegen Welten.
Keine Differenzierung in der öffentlichen Debatte
In der öffentlichen Debatte gibt es viel zu oft keine Differenzierung zwischen all diesen Gruppen. Etwa 810 000 Menschen im Bürgergeldbezug arbeiten in schlecht bezahlten Jobs im Niedriglohnsektor. Die Gehälter reichen häufig zum Leben nicht aus, die Menschen stocken dann mit Bürgergeld auf. Die Betroffenen können häufig aufgrund unzureichender Qualifikationen nicht in besser bezahlte Jobs vermittelt werden.
Dazu kommen rund 550 000 Alleinerziehende, deren Lohn nicht für ihre Bedarfe und die ihrer Kinder ausreicht. Daher können sie Leistungen aus dem Bürgergeld beantragen, in vielen Fällen, weil die Ex-Partner keinen Unterhalt zahlen.
Es geht keineswegs nur um die, die nicht arbeiten wollen. Wer Kürzungen im Bürgergeld fordert, der trifft viele Menschen, für die es andere Absicherungssysteme bräuchte. Die immer gleichen Debatten, in denen alle in eine Schublade gesteckt werden, erzeugen bei den Betroffenen vor allem Unzufriedenheit, Frust und Wut. Diese Gefühle sind Gift für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Das wirksame Gegengift könnten andere Fragen sein: Welche Unterstützung brauchen Menschen, um im Arbeitsmarkt zu bestehen? Insbesondere Menschen mit geringeren Qualifikationen, schlechteren Sprachkenntnissen oder einer Behinderung, damit sie einen Job finden.
Ältere und Kranke
Im Bürgergeldbezug stehen auch rund 165 000 schwerbehinderte Menschen, die häufig auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Ältere und erkrankte Personen sind oft im Bürgergeld, weil sie nicht schnell genug eine Reha-Maßnahme oder eine Umschulung erhalten. Auch während der langen Wartezeit auf die Genehmigung der Erwerbsminderungsrente rutschen viele Betroffene ins Bürgergeld.
Viele Leistungsempfänger gehören nicht ins Bürgergeld, weil sie nicht arbeitslos sind. Dazu zählen rund 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche, sie sollten über eine separate Kindergrundsicherung abgesichert werden. Auch pflegende Angehörige, die nicht mehr arbeiten können, benötigen statt des Bürgergelds eine Lohnersatzleistung für ihre Pflegetätigkeit.
Grundsicherung im Alter
Wenn die Alters- oder die Erwerbsminderungsrente nicht ausreicht, betragen viele Betroffene die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, eine Art Bürgergeld für Menschen, die dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Hier gelten die gleichen Regeln wie im Bürgergeld, was die Höhe der Regelsätze und die Übernahme der Wohnkosten betrifft.
Das bedeutet auch: wer Kürzungen beim Bürgergeld fordert, trifft genauso diese Rentnerinnen und Rentner mit wenig Geld, Erwerbsgeminderte und Menschen mit Behinderung.