Kategorie Aktuelle Meldung Gesundheit

Post Covid: Der Akku lädt nicht mehr über 20 Prozent

Von: Sebastian Heise

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie gibt es viele Post-Covid-Betroffene. Ihr Leben ist extrem eingeschränkt, wie VdK-Mitglieder erzählen. Sie kämpfen darum, ihren Alltag einigermaßen zu meistern. Manche haben ihren Beruf aufgegeben.

VdK-Mitglied Nicola Bode sitzt auf einer Treppe, ihr Gesichtsausdruck ist niedergeschlagen und erschöpft.
VdK-Mitglied Nicola Bode schafft wegen ihrer chronischen Erschöpfung die Treppen der zwei Stockwerke zu ihrer Wohnung nicht ohne Pausen. © privat

Nach wenigen Stufen erschöpft

Nur ein paar Stufen der Haustreppe kann Nicola Bode hinaufsteigen, bevor sie sich hinsetzen und kurz ausruhen muss. Noch ein weiteres Mal pausiert sie auf der Treppe, bevor sie ihre Wohnung im zweiten Stock erreicht. Schon seit langem leidet die Norddeutsche unter chronischer Erschöpfung, hervorgerufen offensichtlich durch zwei Corona-Infektionen.

Vor drei Jahren erkrankte die damals 53-Jährige erstmals an Covid-19. Angesteckt hat sie sich wahrscheinlich in der Freizeit, da sie als Buchhalterin im Homeoffice arbeitete. Zwei Wochen lag sie im Bett, hatte eine starke Erkältung mit Kopf- und Gliederschmerzen. Schon damals litt sie in der Folge unter ständiger Erschöpfung. In der Arbeit fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Konferenzen waren für sie extrem anstrengend. An Long Covid dachte sie – ebenso wie ihre Hausärztin – zum damaligen Zeitpunkt nicht.

Stattdessen ging sie von Überarbeitung und Burnout aus und reduzierte ihre Arbeitszeit von fünf auf vier Tage pro Woche. Doch die Beschwerden blieben. Alles fiel ihr schwer, und sie litt ständig unter Kopf- und Gliederschmerzen. Da sie sich in der Firma zuletzt nicht mehr wohlfühlte, kündigte sie. Nicola Bode hoffte, dass dies Besserung brächte. Doch diese blieb leider aus. „Ich war nicht in der Lage, mich zu bewerben“, berichtet sie. „Es war alles zu viel für mich.“ Als sie mal wieder zu ihrer Hausärztin ging, brach sie zusammen. Ihre Ärztin schrieb sie krank, schickte sie zur Psychiaterin, die eine depressive Episode und Burnout diagnostizierte.

Von Long zu Post Covid

Im November 2023 infizierte sie sich ein zweites Mal mit Corona. Auch als der Test wieder negativ war, litt sie noch länger unter Kopf- und Gliederschmerzen, hatte keinen Geschmacks- und Geruchssinn mehr und kämpfte gegen ständige Erschöpfung. Erst dann kamen ihre Hausärztin und sie zu dem Schluss, dass sie an Long Covid erkrankt sein musste. Da die Symptome länger als drei Monate anhielten, wurde es schließlich Post Covid.

Nach über einem Jahr im Krankenstand ist ihr Krankengeld nun ausgelaufen. Derzeit kämpft sie mit Unterstützung des VdK Nord im Widerspruchsverfahren um eine Erwerbsminderungsrente. Eine Vollzeittätigkeit ist nicht vorstellbar. Mit ihren Kräften muss sie extrem haushalten.

Um anderen deutlich zu machen, wie es ihr geht, vergleicht sie ihre täglichen Energiereserven mit einem Akku. „Wenn ich aufwache, ist dieser nicht bei 100, sondern nur bei 20 Prozent“, erzählt sie. Hat sie an einem Tag einen Termin außer Haus, fällt der Akku bis zum Abend auf null Prozent. Mehr als zwei bis drei Termine in der Woche sind nicht möglich. Frühere Hobbys wie Tango Argentino sind unmöglich. Manchmal tanzt sie mit ihrem Mann ein paar Minuten lang zuhause, auch wenn sie anschließend erschöpft ist. „Es ist alles nicht mehr wie vorher“, sagt sie. „Mein ganzes Leben ist weggebrochen.“

Kampf um die Anerkennung als Berufskrankheit

Anderen VdK-Mitgliedern geht es ähnlich. Ferdinand Zoellerfels, dessen Namen wir aufgrund seines laufenden Verfahrens mit der Berufsgenossenschaft geändert haben, infizierte sich bei seiner Arbeit im Pflegeheim. Der 54-jährige Niederbayer hatte sich freiwillig für eine Isolierstation gemeldet, in der Corona-Patientinnen und -Patienten untergebracht waren. Trotz umfassender Schutzkleidung und zwei Sicherheitsschleusen erkrankte er zweimal an Covid-19.

Er bekam starkes Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Außerdem verlor er seinen Geruchs- und Geschmackssinn. Drei Monate nach seiner ersten Infektion litt er erneut unter Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Erschöpfung. Außerdem konnte er Rechts und Links teilweise nicht mehr unterscheiden. Zwischendrin ging es ihm besser, dann wieder schlechter. „Die Symptome kommen und gehen wie in Wellen“, erzählt er.

Immer wieder ist er krankgeschrieben. Er will aber so lange wie möglich noch arbeiten, sagt er. Sein Arbeitgeber steht zum Glück hinter ihm. Doch bis heute kämpft er zusammen mit dem VdK darum, dass Post Covid bei ihm als Berufskrankheit anerkannt wird. Externer Link:Der VdK vertritt zahlreiche Mitglieder in ähnlichen Fällen. Einzelne Anerkennungen gibt es. Doch es ist noch ein langer Kampf.

Dass die Betroffenen wieder gesund werden, ist nicht absehbar. Die Forschung steht noch am Anfang. Nicola Bode kann mittlerweile wieder ein wenig riechen und schmecken – zumindest ein kleiner Fortschritt.

Info: Long Covid oder Post Covid?

Im Zusammenhang mit einer vorangegangenen Corona-Infektion sind verschiedene gesundheitliche Langzeitfolgen beobachtet worden, die unter dem Begriff „Long Covid“ zusammengefasst werden. Wenn diese Symptome, wie zum Beispiel ständige Erschöpfung, Gliederschmerzen, länger als drei Monate nach der Erkrankung an Covid-19 weiter bestehen, wird von „Post Covid“ gesprochen.

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