Pflegeversicherung: Schluss mit zwei Systemen
Mehr als drei Milliarden Euro Defizit verbuchte die gesetzliche Pflegeversicherung 2023. Der Sozialverband VdK fordert eine Zusammenführung von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung oder wenigstens einen Finanzausgleich.
Private Kassen wählen ihre Versicherten aus
Ob jemand in der privaten oder gesetzlichen Externer Link:Pflegeversicherung ist, hängt davon ab, ob man zur jeweiligen Krankenversicherung gehört. Private Krankenkassen nehmen Menschen mit „guten Risiken“
auf. Diese definieren sich mit hohen Einkommen, risikoarmen Berufen und stabiler Gesundheit. Das bedeutet auch weniger Risiko für spätere Pflegebedürftigkeit. Und das bringt einen Kostenvorteil mit sich, wie eine Untersuchung vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdOkurz fürWissenschaftliches Institut der AOK) bestätigt.
Weniger Pflegebedürftige, mehr Rücklagen
Die privaten Kassen profitierten bei der Pflegeversicherung lange auch von einer jüngeren Altersstruktur ihrer Versicherten. 1995 waren 5,9 Prozent der gesetzlich Versicherten über 80 Jahre alt und damit im höchsten Risikobereich für Pflegebedürftigkeit, bei den privat Versicherten waren es nur 2,9 Prozent. Inzwischen ist auch der Altersdurchschnitt bei den Privaten gestiegen. 2020 waren hier 7,4 Prozent über 80 Jahre alt, in der gesetzlichen Pflegeversicherung 7,8 Prozent.
Trotzdem zahlen sich die „guten Risiken“
aus. Unter je 100 gesetzlich Versicherten benötigten zuletzt im Schnitt 6,3 Personen Pflegeleistungen, bei den Privaten nur 3,2. Pro Kopf aller Versicherten fallen jährlich 683 Euro in der gesetzlichen und 234 Euro in der privaten Pflegeversicherung an.
Seit Einführung der Pflegeversicherung bilden die Versicherungen Rücklagen aus nicht ausgegebenen Pflegeleistungen. Zum Jahresende 2022 lagen diese bei den privaten Kassen bei mehr als 49 Milliarden Euro, die gesetzlichen hatten zuletzt nur noch 5,6 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Das aber bei einem Versichertenbestand von rund neun Millionen privat Versicherten gegenüber 73,5 Millionen gesetzlich Versicherten.
Das fordert der VdK zum Thema
Der VdK fordert seit Langem einen Finanzausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung. Ein Vorbild könnte der Risikostrukturausgleich der Krankenversicherung sein, der den gesundheitlichen Status der Versicherten berücksichtigt und eine gewisse Gegenfinanzierung der höheren Ausgaben der gesetzlichen Kassen gewährt. Politisch gibt es dafür keine Mehrheiten.
Für den VdK ist diese ablehnende Haltung unverständlich. „Es ist unglaublich, dass bei den privaten Kassen 49 Milliarden Euro auf Halde liegen, während überall im Land Pflegestationen geschlossen und sogar Pflegebedürftige mit eigentlich guter Rente infolge der stark steigenden Pflegekosten von Sozialhilfe leben müssen. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss angesichts der demografischen Entwicklung solidarisch geschultert werden
“, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Am vernünftigsten wäre aus VdK-Sicht statt eines komplizierten Finanzausgleichs die Zusammenführung von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung zu einer Pflegeversicherung für alle. Die Versicherten selbst würden diese Veränderung nicht einmal bemerken, denn bei Pflegebedürftigkeit werden exakt dieselben Leistungen gewährt, egal ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist.