Selbstständigkeit tut der Seele gut
Weil sie in ihrem Alltag immer mehr Hilfe brauchen, fühlen sich Pflegebedürftige häufig zunehmend wertlos. Oft kommt Scham in bestimmten Situationen hinzu. Deshalb ist es wichtig, das Selbstwertgefühl von Pflegebedürftigen zu stärken.
Geduld und Feingefühl sind gefragt
Ein gutes Selbstwertgefühl zu haben, bedeutet, sich trotz aller Fehler und Schwächen wertvoll und liebenswert zu fühlen. Das ist nicht immer einfach: Wer gepflegt wird, muss Unterstützung annehmen und fühlt sich oft hilflos und verletzlich. Das zu akzeptieren, fällt vielen älteren Menschen schwer – vor allem, wenn sie früher sehr aktiv und selbstbestimmt waren oder sich kaum mit dem Thema Alter und Gebrechlichkeit auseinandergesetzt haben.
Pflegende brauchen viel Feingefühl und Verständnis für die Situation ihrer Angehörigen. Auch Geduld ist gefragt, denn meist kann die oder der Betroffene einiges noch selbst erledigen, benötigt dafür aber wesentlich mehr Zeit. Dennoch sollte man sie oder ihn so viel wie möglich selbst machen lassen, denn das stärkt das Selbstwertgefühl. Werden der pflegebedürftigen Person alle Tätigkeiten abgenommen, verlernt sie zudem vieles recht schnell, und die Pflege nimmt irgendwann mehr Zeit in Anspruch.
Es lohnt sich also, die noch vorhandenen Fähigkeiten zu fördern und nur die Aufgaben zu übernehmen, die die pflegebedürftige Person nicht mehr selbst erledigen kann. Beispielsweise könnte sie sich selbst waschen und beim Anziehen Hilfe in Anspruch nehmen.
Das Gefühl gebraucht zu werden
Pflegebedürftige empfinden sich oft als Belastung. Die meisten freuen sich, wenn sie sich im Haushalt nützlich machen. Wäsche zusammenlegen oder Gemüse schnippeln können viele noch sehr gut selber machen. Hilfsmittel tragen dazu bei, dass Angehörige ihre Selbstständigkeit möglichst lange bewahren können. Es gibt sie für viele Bereiche des täglichen Lebens. Spezielles Geschirr erleichtert zum Beispiel das Essen und Trinken, Griffverdickungen und gebogene Griffe machen das Besteck handlicher, und eine Tellerranderhöhung sorgt dafür, dass die Nahrung nicht vom Teller rutschen kann.
Jeder Mensch freut sich über Zuneigung und Wertschätzung. Auch Pflegebedürftige brauchen das Gefühl, dass sie wichtig sind für die Familie und dass man gerne für sie sorgt. Sie möchten, dass sie so angenommen werden, wie sie sind – auch mit ihrer Gebrechlichkeit. Dabei sollten Belastungen jedoch keinesfalls heruntergespielt werden. Ebenso zeigt es Wertschätzung, wenn man Angehörige in wichtige Entscheidungen miteinbezieht – vor allem, wenn sie sie selbst betreffen.
Probleme ansprechen
Ein herzlicher und aufrichtiger zwischenmenschlicher Umgang ist das A und O einer guten Pflegebeziehung. Dazu gehören offene Aussprachen, wenn man sich durch die Pflegebedürftige oder den Pflegebedürftigen gekränkt fühlt, aber auch, sich zu entschuldigen, wenn man selbst ungeduldig war oder unangemessen reagiert hat.
Wer pflegebedürftig ist, braucht auch Hilfe in Bereichen, die Schamgefühle hervorrufen – etwa der Körperpflege. Wenig hilfreich sind Äußerungen wie „Du brauchst dich nicht zu schämen“
. Besser ist es, Betroffene in der entsprechenden Situation abzulenken und über etwas anderes zu sprechen.
Nicht zuletzt sollten pflegende Angehörige auch auf sich achten und das eigene Selbstwertgefühl stärken. Das bedeutet, sich nicht nur für die Pflege aufzuopfern, sondern immer wieder eine Auszeit zu nehmen, beispielsweise, um sich mit einer Freundin zu treffen oder ins Kino zu gehen. Wer das Gefühl hat, in der Pflege etwas nicht richtig zu machen, sollte die Möglichkeit nutzen, an einem Pflegekurs teilzunehmen. Dort werden praktische Tipps vermittelt, die die tägliche Arbeit erleichtern.
Wichtig ist, die eigenen Grenzen zu wahren. Auch die Schamgrenzen gehören dazu. Wer etwa Probleme hat, die Angehörige oder den Angehörigen zu waschen, kann sich professionelle Hilfe holen. Generell empfiehlt es sich, Unterstützung einzufordern, wenn einem die Arbeit zu viel wird. Wer überfordert ist, riskiert nicht nur seine Gesundheit, sondern auch, Fehler zu machen oder gegenüber der oder dem Angehörigen die Geduld zu verlieren.