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Pflege auf Distanz: Die unsichtbaren Pflegenden

Von: Annette Liebmann

Viele Pflegende leben nicht mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen zusammen. Die Pflege auf Distanz ist eine besondere Herausforderung. Mit einer guten Organisation kann dieser Spagat zwischen zwei Welten gelingen.

Die Grafik zeigt Mutter und Sohn, die weit auseinander stehen. An der Wand hinter ihnen sieht man ihre Schatten, die nah und zugewandt sind. Sie tragen bei Atemschutzmasken.
© IMAGO / Ikon Images / Mark Airs

Auch Kümmern aus der Ferne ist arbeitsintensiv und anstrengend

Nach dem Tod ihrer Mutter kümmerte sich Margot Dengler um ihren Vater. Jedes zweite oder dritte Wochenende fuhr sie zu ihm, führte seinen Haushalt und kochte für mehrere Tage vor, ehe sie nach Hause zurückkehrte. Mehrere Jahre pendelte sie zwischen zwei Leben: das im Elternhaus und das mit ihrer eigenen Familie. 

Menschen, die von einem weiter entfernten Wohnort aus eine pflegebedürftige Person versorgen, werden „Distance Caregivers“ genannt. Sie besuchen regelmäßig die Betroffene oder den Betroffenen, unterstützen emotional und organisieren den Alltag sowie die Pflege. Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Beschreibung auf etwa ein Viertel aller pflegenden Angehörigen zutrifft.

Auch wenn sie nicht direkt in die Pflege eingebunden sind, so kann diese Art des Kümmerns arbeitsintensiv und anstrengend sein. Zum eigenen Leben, zu dem oft Familie und Berufstätigkeit gehören, kommt die ständige Sorge um die pflegebedürftige Person hinzu. Persönliche Wünsche und Auszeiten, um sich zu erholen, werden häufig hinten angestellt. Oft ist es den Angehörigen nicht einmal bewusst, welche Last auf ihren Schultern liegt. 

Studie zur Situation weit entfernt lebender Angehöriger

In einer Externer Link:Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) aus dem Jahr 2022 klagten 49 Prozent der entfernt lebenden Angehörigen über den zeitlichen Aufwand der Pflege und 38 Prozent über berufliche Einschränkungen. Als besonders belastend empfanden drei von vier Befragten, dass sie in Notsituationen nicht helfen können. 41 Prozent gaben an, dass ihre Unterstützung kaum wahrgenommen wird, weil sie vor Ort nicht sichtbar sind.

Vorkehrungen für den Ernstfall treffen

Wer sich aus der Entfernung um eine pflegebedürftige Person kümmert, sollte unbedingt Vorkehrungen treffen, um für einen Notfall gewappnet zu sein. Dazu gehören eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung, damit eine vertraute Person im Sinne der oder des Pflegebedürftigen handeln kann. 

Mit einem Hausnotruf können Alleinstehende den Rettungsdienst alarmieren, beispielsweise wenn sie gestürzt sind. Wohnberatungsstellen beraten auch zu weiteren Hilfsmitteln, zum Umbau einer Wohnung oder eines Hauses sowie zu Zuschüssen.

Netzwerk vor Ort aufbauen

Hilfreich ist es auch, ein Netzwerk aufzubauen, das sich vor Ort kümmert. So können Nachbarn oder Bekannte, die einen Hausschlüssel haben, nachschauen, wenn die oder der Pflegebedürftige nicht zu erreichen ist. Ebenso zum Netzwerk gehören Dienstleister und Unterstützungsangebote, wie etwa Nachbarschaftshilfe oder der Pflegedienst. 

Auch im eigenen Umfeld ist es wichtig, Unterstützung zu haben, etwa durch Freunde, Verwandte und Bekannte. Sie können entlasten, indem sie sich abwechselnd um die betroffene Person kümmern, organisatorische oder administrative Aufgaben übernehmen oder pflegende Angehörige emotional auffangen. 

Arbeitgeber bei Bedarf informieren

Es ist sinnvoll, den Arbeitgeber über die Situation zu informieren. Manche bieten mobiles Arbeiten und flexible Arbeitszeiten an. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, mit deren Hilfe sich Beruf und Pflege besser miteinander vereinbaren lassen. Dazu zählen eine Auszeit für bis zu zehn Arbeitstage pro Jahr, Pflegezeit, Familienpflegezeit sowie die Begleitung am Lebensende. Allerdings sind sämtliche Möglichkeiten mit einem Verdienstausfall verbunden. 

Nicht zuletzt sollten Pflegende auf sich selbst achten. Denn nur, wem es gut geht, kann gut für andere sorgen.

Studienergebnisse: Je weiter weg, desto unzufriedener

Angehörige, die auf Distanz pflegen, sind oft unzufrieden mit dieser Situation. Das ist das Ergebnis einer Externer Link:Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) aus dem Jahr 2022.

Befragt wurden 1007 Personen ab 40 Jahren, deren Angehörige mindestens 20 Minuten Fahrzeit weiter weg leben. 77 Prozent der Pflegenden gaben an, die betreute Person mindestens einmal wöchentlich zu sehen. Am häufigsten helfen die Befragten, indem sie Organisationsaufgaben übernehmen (78 Prozent), gefolgt von emotionaler Unterstützung (76 Prozent), Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (68 Prozent) sowie bei Mobilität und sozialer Einbindung (63 Prozent). Nur 22 Prozent übernehmen auch klassische Pflegetätigkeiten, wie Hilfe bei der Körperpflege und Medikation, beim Anziehen sowie Essen.

Mit der Pflegesituation sind 41 Prozent der Befragten eher oder sehr unzufrieden. Lebt die pflegebedürftige Person zwei Stunden oder mehr entfernt, erhöht sich dieser Anteil auf 61 Prozent. Zu den besonderen Herausforderungen der Pflege auf Distanz gehört, nur wenig Einblick in die aktuelle Lage der oder des Pflegebedürftigen zu haben. Viele leiden auch darunter, nicht besser vor Ort unterstützen zu können.

Mehr zur Studie: Externer Link:https://www.zqp.de/angebot/pflege-raeumliche-distanz/

VdK-Pflegestudie

Wie geht es eigentlich den pflegenden Angehörigen? Was bewegt sie, wo gibt es Defizite, wie sieht ihr Alltag aus? Der VdK hat dazu im Jahr 2021 eine große Studie in Auftrag gegeben, um ein klares Bild zu erhalten. Die VdK-Pflegestudie “Pflege zu Hause - zwischen Wunsch und Wirklichkeit” können Sie hier herunterladen: