Kommentar: Herbstzeit
Es ist Herbst, die Blätter fallen, doch die Bundesregierung hat ihre Vorhaben noch längst nicht winterfest gemacht. Um den Koalitionsvertrag abzuarbeiten, bleibt SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands, Grünen und FDPkurz fürFreie Demokratische Partei nicht mehr viel Zeit.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verkündete in der Haushaltsdebatte des Bundestags beherzt einen „Herbst der Reformen“
. Die Krankenhausreform, bessere Bedingungen für Hausärztinnen und -ärzte und die finanzielle Stabilisierung der Pflege will er noch hinbekommen.
So viel Energie ist aller Ehren wert. Allein mir fehlt bei so viel öffentlicher Auseinandersetzung der Koalitionspartner die Zuversicht. Denn leider sind das riesige Brocken, die der Minister noch schnell den Reformberg hochschieben will. Es ist zu viel Zeit vertan worden. Nicht nur in der Ampelregierung, sondern schon in den unionsgeführten Bundesregierungen zuvor. Leidtragende sind und bleiben die Patientinnen und Patienten und die Pflegebedürftigen mit ihren Angehörigen.
Es ist nicht Minister Lauterbach alleine, der noch was zu tun hat. Arbeitsminister Hubertus Heil ist die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige schuldig. Das war als erster Einstieg in ein System gedacht, das der Sozialverband VdK vor der Bundestagswahl als „Rente für alle“ gefordert hatte. Bislang müssen sich Selbstständige in Eigenverantwortung um ihre Altersabsicherung kümmern. Viele schaffen das nicht und schlittern in die Altersarmut. Die steigende Zahl Soloselbstständiger in prekären Verhältnissen macht eine Reform immer dringender. Doch dazu ruht still und starr der See.
Ebenfalls Schweigen im herbstlichen Walde herrscht bezüglich der im Koalitionsvertrag versprochenen Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige. Die blockierte Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGGkurz fürBehindertengleichstellungsgesetz) und das Verhallen der Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGGkurz fürAllgemeines Gleichbehandlungsgesetz) trüben aus VdK-Sicht ebenfalls die Bilanz.
All diese Vorhaben dürfen nicht wie Herbstblätter im Wind davonfliegen. Besser wäre frühlingshafter Schwung im sozialpolitischen Endspurt der Regierung.