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IGeL: Fragwürdige Selbstzahlerleistungen

Von: Kristin Enge

Aus Unwissenheit geben Patientinnen und Patienten viel Geld für Individuelle Gesundheitsleistungen aus, die nichts nützen.

Ein Mann im grünen Arztkittel hält ein Sparschwein in beiden Händen, um den Hals hat er ein Stethoskop.
© IMAGO / Bihlmayerfotografie

2,4 Milliarden Euro pro Jahr durch IGeL

Immer wieder bieten Arztpraxen Leistungen an, die Patientinnen und Patienten selbst bezahlen sollen. Der Medizinische Dienst hat die sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) zum fünften Mal im IGeL-Report 2024 überprüft.

Laut Report setzen Arztpraxen pro Jahr mindestens rund 2,4 Milliarden Euro mit IGeL um. Darunter finden sich sinnvolle Angebote wie Atteste und Reiseimpfungen. Aber einige dieser medizinischen Leistungen nutzen mitunter die Ängste von Patientinnen und Patienten aus, zum Beispiel bei Vorsorge und Früherkennung. 

Zu den am häufigsten verkauften Leistungen zählt laut IGeL-Report der Ultraschall von Eierstöcken und Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung. Pro Jahr kommen hier in der Summe 143 Millionen Euro zusammen. Auf Platz zwei folgt die Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung und auf Platz drei das Blutbild zur Gesundheitsvorsorge.

Nutzen nicht ausreichend belegt

Der Nutzen der IGeL ist in der Regel nicht ausreichend durch wissenschaftliche Studien belegt. Das kann auch der Fall sein, wenn es sich um neue Untersuchungsmethoden handelt. Bei einigen IGeL überwiegt der Schaden den Nutzen. Sie verursachen zwar keine direkten gesundheitlichen Schäden, aber indirekte Nachteile, wie etwa psychische Belastungen durch Fehlalarme oder Überdiagnosen. Dann liegt entweder keine Erkrankung vor, oder diese wäre ohne Untersuchung nie bemerkt worden, weil sie keine Beschwerden auslöst. Oft sind unnötige, weitere Untersuchungen oder Behandlungen die Folge.

„Besorgniserregend ist, dass die meisten Patientinnen und Patienten viel zu wenig Wissen haben, um eine informierte Entscheidung für oder gegen eine IGeL treffen zu können“, sagt Professor Jonas Schreyögg von der Universität Hamburg. Er hat die Daten von 2013 Versicherten zwischen 18 und 80 Jahren für den IGeL-Report ausgewertet.

Laut Schätzungen gibt es mehrere hundert IGeL, und der Markt entwickelt sich ständig weiter. Besonders häufig werden sie in der Gynäkologie und Augenheilkunde verkauft. Auch in der Allgemeinmedizin, Orthopädie und Unfallmedizin sind sie Teil des Tagesgeschäfts.

Wer IGeL anbietet, muss Vorgaben erfüllen

„Bieten Arztpraxen IGeL an, müssen sie sich an bestimmte Vorgaben halten“, erklärt Ilias Essaida, Gesundheitsreferent beim Sozialverband VdK Deutschland:

  • Kassenleistungen dürfen weder als IGeL angeboten noch vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht werden.
  • Patientinnen und Patienten müssen vorab immer sachlich, umfassend und verständlich über Nutzen, Risiken und Kosten aufgeklärt werden.
  • Sie haben das Recht auf eine Zweitmeinung und dürfen nicht zum Kauf gedrängt werden.
  • Wer IGeL in Anspruch nehmen möchte, hat das Recht auf einen schriftlichen Vertrag und eine Rechnung.
Das Portraitfoto zeigt Ilias Essaida.
Ilias Essaida, VdK-Gesundheitsreferent

„Dennoch gibt es immer wieder Ärztinnen und Ärzte, die sich nicht an diese Vorgaben halten“, sagt Essaida. Das ist etwa beim Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs der Fall. Er ist laut IGeL-Report die vierthäufigste Selbstzahlerleistung, die in Anspruch genommen wird. Doch hier handelt es sich um eine Kassenleistung, die im Rahmen der regulären Krebsfrüherkennungsuntersuchungen angeboten wird, so der Medizinische Dienst Bund. Die Patientinnen müssen dafür nicht selbst zahlen, wenn sie die Voraussetzungen zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen erfüllen: Denn Frauen zwischen 20 und 34 Jahren haben einmal im Jahr Anspruch auf die Untersuchung, Frauen ab 35 Jahren alle drei Jahre.

Essaida empfiehlt das Internetportal Externer Link:www.igel-monitor.de. Dort bewerten Expertinnen und Experten die IGeL-Angebote: 30 der dort gelisteten 56 IGeL wurden als „tendenziell negativ“ oder „negativ“ eingestuft. Bei 23 ist der Nutzen unklar. Drei haben die Expertinnen und Experten als „tendenziell positiv“ bewertet und keine einzige als „positiv“.

IGeL-Monitor: Untersuchungen als „tendenziell negativ“ bewertet

Das Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors hat kürzlich drei Verfahren zur Früherkennung von Blasen- und Nierenkrebs als „tendenziell negativ“ bewertet: die Urinanalyse, die Ultraschalluntersuchung zur Früherkennung von Blasenkrebs und die Ultraschalluntersuchung der Nieren zur Früherkennung von Nierenkrebs. 

Es mangelt an Studien, die Hinweise auf einen Nutzen oder einen direkten Schaden dieser Untersuchungen geben. Besteht ein begründeter Verdacht auf eine Krebserkrankung oder haben Patientinnen und Patienten Beschwerden, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. 

Mehr Informationen zu den IGeL sind hier verfügbar: Externer Link:www.igel-monitor.de