Gehirnerschütterung: Symptome, Dauer und Folgen
Was ist eine Gehirnerschütterung und wie kann man sie von schlimmeren Verletzungen abgrenzen? Im Interview gibt Professor Dr. med. Dipl.-Psych. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung e. V., die wichtigsten Antworten.
Wie kann man sich eine Gehirnerschütterung zuziehen?
Eine Gehirnerschütterung – die Medizin spricht von „Commotio cerebri“ – kann man erleiden, wenn es zu einem stumpfen, ruckartigen Anprall des Kopfes kommt. Das passiert entweder durch eine Kraft von außen – etwa durch einen Schlag, wie man es in jedem Western-Film sehen kann – oder wenn der Kopf irgendwo massiv anstößt, zum Beispiel bei einem Sturz oder Autounfall.
Welche körperlichen Anzeichen treten auf?
Es kommt zu einer kurzen, vorübergehenden Bewusstlosigkeit oder Benommenheit – das unterscheidet die Gehirnerschütterung von der alltäglichen Schädelprellung, wenn man sich irgendwo harmlos den Kopf anstößt. Wird also das Gehirn „erschüttert“, können dann noch Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, vegetative Störungen zum Beispiel des Kreislaufs und Gleichgewichtsstörungen dazukommen.
Stimmt es, dass eine Gehirnerschütterung die leichteste Form eines Schädel-Hirn-Traumas ist?
Genauso ist es. Die leichteste Form mit Grad 1 ist die Gehirnerschütterung, die keine bleibenden Schäden hinterlässt. Bei der mittelgradigen Schädigung mit Grad 2 kommt es zur Gehirnprellung – und bei Grad 3 handelt es sich um die schwerste Form, nämlich eine Gehirnquetschung. In Deutschland ereignen sich pro Jahr ungefähr 250.000 Schädel-Hirn-Traumata. Davon sind 90 Prozent als leicht und je fünf Prozent als mittel oder schwer einzustufen.
Muss man ins Krankenhaus?
Wenn eine Bewusstlosigkeit aufgetreten ist und man Erinnerungs- oder Gedächtnisstörungen hat, sollte man zu einem Arzt gehen, um sich neurologisch untersuchen zu lassen. Wenn anders kein Arzt verfügbar ist, sollte man in eine Notaufnahme gehen, um sich untersuchen zu lassen. Man sollte auch dann in ein Krankenhaus, wenn die Bewusstlosigkeit länger als einige Minuten angedauert hat, wenn man zusätzliche Kopfverletzungen oder bleibende Störungen des Bewusstseins hat oder wenn man zum Beispiel blutverdünnende Medikamente einnimmt. Da kann es sein, dass man 24 Stunden stationär überwacht werden muss. In bestimmten Situationen wird man auch Bilder des Kopfes und des Gehirns anfertigen. Um einen Schädelbruch auszuschließen, kann man eine Röntgenaufnahme machen. Für die Beurteilung des Gehirns reicht meistens eine Computertomografie. Nur in ganz speziellen und schweren Fällen wird eine Kernspin-Aufnahme – ein MRT – angefertigt.
Wie sieht es mit den Folgen aus?
Bei der Gehirnerschütterung stößt das Gehirn im Inneren des Schädels an den Knochen an. Das führt zu einer Funktionsstörung und nicht zu einer Schädigung des Hirngewebes. Dadurch kommt es nicht zu bleibenden Folgen. Um es mal in der Computersprache zu sagen: Es gibt einen kleinen Software-Aussetzer, aber keinen Hardware-Schaden.
Ab wann ist man beschwerdefrei?
Normalerweise klingen die Beschwerden im Lauf einer Woche ab. Manche Patienten klagen jedoch noch über wenige Wochen über wetter- oder belastungsabhängige Kopfschmerzen oder eine Überempfindlichkeit gegenüber Alkohol.
Welche Sportarten sind besonders gefährlich?
Circa 20 Prozent der Gehirnerschütterungen passieren beim Sport. Man kann zum Beispiel vom Fahrrad oder vom Pferd fallen; aber auch beim Fußball kann es zu einer Gehirnerschütterung kommen, wenn zwei Spieler beim Kopfballversuch zusammenprallen. Beim Boxen ist fast jeder Knock-out mit einer Gehirnerschütterung verbunden. Und stürzen kann man fast bei allen Sportarten. Bei Kontaktsportarten wie Rugby, American Football und Hockey sind Gehirnerschütterungen deutlich häufiger als bei Sportarten mit weniger Körperkontakt, wie zum Beispiel Volleyball. In den letzten Jahren hat man bei Football-Spielern und Boxern herausgefunden, dass häufige und wiederholte heftige Stöße oder Schläge gegen den Kopf nach Jahren zu einer Dauerschädigung des Gehirns führen können. Man nennt dieses Syndrom „Chronisch-traumatische Enzephalopathie“. Natürlich lassen sich nicht alle Unfallsituationen vermeiden. Aber wenn man etwa beim Fahrradfahren einen Helm trägt, ist man bei einem Sturz besser geschützt.
Wie kann ich sicher sein, dass es nichts Schlimmeres ist?
Wenn man nach ein paar Minuten wieder fit ist, spricht das gegen eine bedrohliche Situation. Wer sich unsicher fühlt, sollte zum Arzt gehen, der dann die genannten Untersuchungen durchführt.