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Fußball-EM: Unschönes Spiel mit den Rollstuhlplätzen

Von: Sebastian Heise
Fans im Rollstuhl im Fußballstadion, hier bei einem Spiel von Dynamo Dresden gegen den FC Erzgebirge Aue
Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer sind in vielen Stadien schnell ausgebucht. © IMAGO / Dennis Hetzschold

Rollstuhlplätze werden nach der EM zurückgebaut

Bei der Fußball-Europameisterschaft vom 14. Juni bis 14. Juli in Deutschland werden zusätzliche Rollstuhlplätze in den Stadien eingerichtet. Manche Fans profitieren auch nach der EM davon – andere leider nicht: Ausgerechnet in der größten Arena wird zur nächsten Bundesligasaison zurückgebaut.

433 zusätzliche Rollstuhlplätze wird es, verglichen mit dem Stand zu Beginn der Vorbereitungen, in den zehn deutschen EM-Stadien geben. Dies teilte der europäische Fußballverband Uefa auf VdK-Anfrage mit. Das größte Plus wird es in Dortmund geben: statt 72 werden es 144 Plätze sein. Damit liegt das Stadion in der Westfalen-Metropole aber nur im Mittelfeld der EM-Stadien. Und nach der Europameisterschaft werden die Plätze zum Ärgernis von rollstuhlfahrenden Fans der heimischen Borussia wieder zurückgebaut.

Dr. Volker Sieger, Fußballfan und Rollstuhlfahrer, kritisiert, dass es künftig wieder weniger Plätze geben wird. Dies hätte anders geplant werden können, bemängelt der Leiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit in Berlin. Mit seinen 81.365 Plätzen ist das Stadion von Borussia Dortmund (BVB) sogar das größte in der Bundesliga. In einem Beitrag der WDR-Sendung „Sport Inside“ äußerten sich zwei BVB-Anhänger im Rollstuhl, dass sie sich seit Jahren vergeblich um Tickets für ein Spiel ihrer Mannschaft bemühen, da mehr als die Hälfte der 72 Plätze an Dauerkartenbesitzer vergeben sind. Der Verein, der das Stadion betreibt, verweist in dem Fernsehbeitrag darauf, dass der Umbau des Stadions „mit Blick auf finanzielle Verhältnismäßigkeiten“ zu aufwendig sei. Eine VdK-Anfrage wurde nicht beantwortet.

In anderen Ländern ist man schon weiter

Alexander Friebel, 1. Vorsitzender der Bundes-Behindertenfan-Arbeitsgemeinschaft und Sehbehindertenreporter, kritisiert den geplanten Rückbau: „Erstaunlich finde ich dieses Vorgehen, gerade bei den großen Clubs, die teilweise für sehr viel Geld Imagekampagnen und Leitbilder entwerfen, eigene Stiftungen unterhalten und für Teilhabe werben – und dann hier so argumentieren.“ Er verweist auf flexible Lösungen, bei denen Sitze je nach Bedarf aus- und eingebaut werden können. „Da ist der Fußball in England schon weiter, wo es solche Angebote seit Jahren gibt“, sagt Friebel.

Berlin geht diesen Weg, wie VdK-Mitglied Sieger positiv erwähnt. So hat sich die Hauptstadt, der das Olympiastadion gehört, bei der Vorbereitung der Europameisterschaft entschieden, die 216 eingerichteten Rollstuhlplätze dauerhaft anzubieten. Durch ein neues flexibles System können in der Hauptstadt-Arena bei einem geringeren Bedarf daraus auch Sitzplätze gemacht werden.

Volker Sieger war bei den Gesprächen zum Umbau der Rollstuhlplätze beteiligt. Er spricht von einem „vorbildlichen Prozess“ mit Verantwortlichen verschiedener Institutionen und Firmen. Das positive Ergebnis in dem 90 Jahre alten Stadion zeige, dass auch der Denkmalschutz nicht im Weg stehen muss.

Der FC Bayern München bietet bei seinen Bundesligaspielen in der vereinseigenen Arena sogar deutlich mehr Plätze an als bei der Europameisterschaft. Wie Alexander Grundler, Mitglied im VdK und im Fanclub „Rollwagerl 93“, berichtet, vergibt der Rekordmeister schon seit einiger Zeit 324 Plätze an Menschen im Rollstuhl. Nach seinen Angaben fallen für die EM 43 davon weg, die danach aber wieder eingerichtet werden.

Keine Dauerkarten für Rollstuhlplätze

Obwohl Grundler selbst in verschiedenen Fangremien des FC Bayern München, auch zum Thema Barrierefreiheit, mitarbeitet, muss er sich immer wieder um Eintrittskarten bemühen, oft auch vergebens, wie beim Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid. Denn der FC Bayern bietet für die Rollstuhlplätze keine Dauerkarten an. Grundler findet dies am gerechtesten. Denn so hat jede Person im Rollstuhl dieselbe Chance auf ein Ticket.

In einem Punkt stehen sich die Rivalen Bayern München und Borussia Dortmund, was Barrierefreiheit betrifft, in nichts nach. Beide bieten auf der Tribüne einen Lieferservice an. Speisen und Getränke können auf den Rollstuhlplätzen ohne Aufpreis an den Platz bestellt werden.