Das lange Warten auf eine Psychotherapie
Der Bedarf an Psychotherapien ist in Deutschland viel größer als das Angebot. Dieser Mangel hat verheerende Folgen für Erwerbstätige, die wegen einer psychischen Erkrankung oft nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen können.
Es fehlen Tausende Kassensitze
Schon vor dem Jahr 2020 gab es zu wenige Psychotherapieplätze. Die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die gesellschaftlichen Krisen der vergangenen Jahre haben die psychische Gesundheit der Bevölkerung laut Bundespsychotherapeutenkammer zusätzlich stark belastet. Die Kammer schätzt, dass es rund 7000 Kassensitze für Psychotherapeutinnen und -therapeuten zu wenig gibt.
Diese Unterversorgung führt dazu, dass die durchschnittliche Wartezeit auf ein Erstgespräch mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin bei knapp sechs Wochen liegt. Bis ein Therapieplatz zur Verfügung steht, vergehen im Schnitt nochmals 20 Wochen.
Stadt-Land-Gefälle bei der Versorgung
Noch länger dauert es in ländlichen Regionen. Nach Berechnungen der Kammer warten Patientinnen und Patienten im Nordosten Bayerns durchschnittlich 50 Tage länger als in München auf einen Therapieplatz. Für Menschen mit einer Angststörung oder einer chronischen Depression kann es lebensgefährlich sein, keine oder zu spät Hilfe zu bekommen.
Darüber hinaus entsteht der Wirtschaft durch diese Unterversorgung ein großer Schaden. Die Zahl der Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen lag im Jahr 2022 laut Bundesarbeitsministerium auf einem Höchststand von 132 Millionen Tagen. Experten schätzen den so entstandenen wirtschaftlichen Verlust auf jährlich 24 Milliarden Euro.
Der Sozialverband VdK weiß aus seinen Rechtsberatungen, dass psychische Erkrankungen heute der Hauptgrund dafür sind, dass Menschen nicht mehr ihren Beruf ausüben können. Vielen bleibt dann nur der Antrag auf eine Externer Link:Erwerbsminderungsrente (EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente). In diesen Fällen kommen zu der Krankheit oft noch finanzielle Sorgen, weil die EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente mit 10,8 Prozent Abschlag belastet wird.
VdK fordert: Mehr Plätze schaffen!
Der VdK fordert die Ampel-Koalition auf, die Unterversorgung endlich zu beenden. „Es gibt rund 37.000 Psychotherapeutinnen und -therapeuten, aber nur 15.000 haben eine Kassenzulassung und können mit der Krankenkasse abrechnen. Es wäre sehr teuer, eine Therapie aus eigener Tasche zu bezahlen. Eine Therapiesitzung kostet rund 100 Euro“
, erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele. Es dürfe nicht der Geldbeutel über die Verfügbarkeit einer medizinischen Versorgung entscheiden.
Die Ampel müsse dafür sorgen, dass es überall genügend Therapieplätze gibt, die auch Kassenpatientinnen und -patienten zur Verfügung stehen. „Die Anpassung der Bedarfsplanung bei Psychotherapiesitzen steht im Koalitionsvertrag und muss umgesetzt werden“
, fordert Bentele.