Anna Spindelndreiers Blick durch die Linse
Wenn Menschen mit Behinderung in Medien gezeigt werden, handelt es sich meist um stereotype Darstellungen. Das möchte die kleinwüchsige Fotografin Anna Spindelndreier ändern und Kundinnen und Kunden Alternativen anbieten.
Auf die Frage, ob sie schon als junges Mädchen wusste, dass sie später einmal Fotografin werden will, lacht die 1987 in Westfalen geborene Anna Spindelndreier. Damals schweben ihr andere Berufe vor: „In den Freundschaftsbüchern stand unter ‚Das will ich mal werden‘ Tierärztin oder Polizistin.“ Sie ist neun Jahre alt, als der Patenonkel ihr zur Kommunion die erste Kamera schenkt. So macht sie erste Erfahrungen, wie sich spannende Ausschnitte der Welt auf Papierfotos bannen lassen.
Modewelt ohne Vorbilder
Im Teenager-Alter interessiert sich Anna Spindelndreier für Modefotografie. Doch die inszenierten Bilder weiblicher Schönheit, die sie in den Hochglanzmagazinen oder bei den Models im Fernsehen zu Gesicht bekommt, stimmen nicht mit ihrer Lebenswirklichkeit überein: „Als kleinwüchsige junge Frau konnte ich mich nie mit der klassischen Modewelt identifizieren.“
Als die Dortmunderin 2011 ihre Laufbahn als freiberufliche Profifotografin einschlägt, tut sie das mit einem persönlichen Auftrag: „Jeder Mensch ist fotogen. Weil es in der Werbewelt für junge Frauen mit Behinderung keine Vorbilder gibt, will ich ihr etwas entgegensetzen und Alternativen anbieten.“ Sie arbeitet inzwischen fast ausschließlich mit Models mit Behinderung.
Die Kommunikation am Set ist bei ihr eine andere: „Wir müssen einander nichts erklären. Und wir kommen viel schneller auf den Punkt.“ Das schönste Lob für sie als Fotografin ist, wenn die Models sagen, dass sie sich vor der Kamera aufgehoben und wohlfühlen.
Anna Spindelndreiers Körpergröße von 1,23 Meter ist gleichzeitig auch ein Stilmittel: „Ich sehe die Welt anders“, ist die 36-Jährige überzeugt. Ihr Markenzeichen bei Jobs ist eine Leiter. Wenn sie beispielsweise bei einem Pressetermin ist, gibt es Situationen, in denen sie die Durchschnittsgröße erreichen muss, um auf Augenhöhe zu sein. „Etwa wenn ich eine Person fotografiere, die hinter einem Rednerpult steht“, erklärt sie.
Trotz aller Professionalität erfährt Anna Spindelndreier aber auch Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung im Job. Was sie besonders ärgert: „Wenn ich für einen Auftrag mit einem Fotoassistenten zusammenarbeite, werden Fragen an ihn gerichtet, obwohl der Kunde mich gebucht hat. Das kostet mich immer extra Nerven, um meine Arbeit ausüben zu können“, sagt die Fotografin.
„Frauen und Technik“
Obendrein arbeitet sie in einer männlich dominierten Branche. „Das alte Klischee ‚Frauen und Kameratechnik‘ hält sich wacker. Dagegen muss ich immer noch ankämpfen“, bedauert die Freiberuflerin. Selbst nach zwölf Jahren Berufserfahrung wird ihr von Kollegen manchmal der Umgang mit Technik abgesprochen. „Ich werde manchmal gefragt, ob ich Hobbyfotografin bin.“
Richtig fassungslos machen sie Situationen im Alltag, wenn sie erlebt, dass ihr aufgrund der Erscheinung im ersten Augenblick zusätzlich eine kognitive Behinderung zugeschrieben wird. Doch um die öffentliche Abbildung von Diversität steht es immer besser: „Die Vielfalt in den Medien ist größer geworden“, freut sich die Fotografin.