Neue Kriterien für die Festlegung des Grades der Behinderung?
Die Versorgungsmedizin-Verordnung legt fest, welche Kriterien Betroffene erfüllen müssen, damit man einen Grad der Behinderung bekommt. Durch geplante Änderungen könnten Verschlechterungen auf Betroffene zukommen. Der VdK kämpft dagegen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMASkurz fürBundesministerium für Arbeit und Soziales) hat im September 2018 einen Referentenentwurf zur Aktualisierung der Versorgungsmedizin-Verordnung vorgelegt, gegen den sich der Sozialverband VdK wendet. Derzeit läuft die Debatte um diesen Entwurf, dieser ist aber noch nicht umgesetzt. Das heißt: Für Menschen, die jetzt einen GdBkurz fürGrad der Behinderung haben oder einen Antrag darauf stellen wollen, ändert sich nichts, für sie gelten die bisherigen Regeln.
Versorgungsmedizin-Verordnung: Welche Änderungen sieht der Referentenentwurf vor?
Die Regeln, mit denen die Versorgungsverwaltung oder Gutachter den GdBkurz fürGrad der Behinderung eines Menschen festlegen, werden in der Anlage „Versorgungsmedizinischen Grundsätze" der Versorgungsmedizin-Verordnung definiert.
Seit einigen Monaten liegt ein Referentenentwurf des BMASkurz fürBundesministerium für Arbeit und Soziales vor, der die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze" fortentwickelt will. Diese Fortentwicklung ist nicht unüblich, sondern ein laufender Prozess, in dem die Vorgaben immer mal wieder geändert und an den Stand der medizinischen Wissenschaft angepasst werden.
Dem Entwurf nach soll in Zukunft bei der Festlegung des GdBkurz fürGrad der Behinderung etwa der Einsatz medizinischer Hilfsmittel oder alltäglicher Gebrauchsgegenstände berücksichtigt werden.
Ebenfalls geplant ist zum Beispiel die Überarbeitung der „Heilungsbewährung“. Bisher wurde bei bestimmten Erkrankungen, etwa bei einer Krebsdiagnose, pauschal der Schwerbehindertenstatus für mindestens fünf Jahre zuerkannt. Das könnte sich künftig ändern.
Bei der Bildung eines Gesamt-GdBkurz fürGrad der Behinderung, wenn also mehrere Beeinträchtigungen zusammenkommen, sollen dem Entwurf nach nur noch Einzel-GdBkurz fürGrad der Behinderung über 20 berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollen viele Beeinträchtigungen nur mit geringem GdBkurz fürGrad der Behinderung von 10 oder 20 bewertet werden.
Versorgungsmedizin-Verordnung: Wie werden die Änderungen begründet?
Begründet werden die geplanten Änderungen etwa mit dem medizinischen Fortschritt auch bei schweren und chronischen Erkrankungen, mit der besseren Hilfsmittelversorgung und dem Abbau von Mobilitätsbarrieren im öffentlichen Raum. All dies, so wird im Referentenentwurf argumentiert, würde dazu führen, dass die Einschränkungen in der Teilhabe von Betroffenen reduziert würden.
Ein weiterer Grund für die geplante Überarbeitung der Regeln ist, dass in die Verordnung auch die internationale ICF-Klassifizierung implementiert werden soll.
ICF ist die Abkürzung der englischen Begriffe International Classification of Functioning, Disability and Health, auf Deutsch: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Mit Hilfe der ICF-Klassifikation kann man gesundheitliche Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die Teilhabe in verschiedensten Lebensbereichen und Aktivitäten geordnet erfassen und beschreiben.
Kritik des Sozialverbands VdK an den geplanten Änderungen der Versorgungsmedizin-Verordnung
Wenn der Referentenentwurf geltendes Recht würde, dann, so befürchtet der VdK, könnte es künftig zu niedrigeren GdBkurz fürGrad der Behinderung-Feststellungen in den Versorgungsämtern kommen. Auch bei Anträgen von Betroffenen, die bereits einen GdBkurz fürGrad der Behinderung und eventuell bestimmte Merkzeichen haben.
Es könnte sein, dass in Zukunft weniger Menschen überhaupt den Schwerbehindertenstatus mit mindestens GdBkurz fürGrad der Behinderung 50 erreichen. Zudem droht die Gefahr, dass viele Betroffene ihren Schwerbehindertenstatus oder ihre Merkzeichen und damit auch Nachteilsausgleiche verlieren.
Die angedachten Regeln zu Hilfsmitteln sind wenig zielführend, da Hilfsmittel Beeinträchtigungen beim Einzelnen unterschiedlich gut ausgleichen können. Eine pauschale Festlegung würde viele Betroffene benachteiligen.
Der VdK wehrt sich entschieden gegen weitere vorgeschlagene Änderungen und fordert zum Beispiel einen unbeschränkten Bestandsschutz für vorhandene GdBkurz fürGrad der Behinderung und Merkzeichen, damit heute Betroffene nicht zu Verlierern werden.
Versorgungsmedizin-Verordnung: Der aktuelle Stand der Debatte
Der VdK und andere Verbänden, die etwa im Deutschen Behindertenrat (DBRkurz fürDeutscher Behindertenrat) organisiert sind, sind inzwischen in einem ständigen Dialog mit dem auf Bundesebene für das Thema zuständigen BMASkurz fürBundesministerium für Arbeit und Soziales. Ebenso wie mit den Ländern, die mit ihren Versorgungsämtern für die Durchführung der GdBkurz fürGrad der Behinderung-Feststellungsverfahren zuständig sind.
Durch das große Engagement und den Einsatz des VdK und anderer Verbände hat die Politik nun grundsätzlich Entgegenkommen signalisiert: So soll die Regelung zum Bestandsschutz überarbeitet und verbessert werden (siehe dazu weiter unten). Und von der ursprünglichen Planung, einen Einzel-GdBkurz fürGrad der Behinderung von 20 regelhaft nicht mehr im Gesamt-GdBkurz fürGrad der Behinderung zu berücksichtigen, wurde Abstand genommen.
Der VdK und die im DBRkurz fürDeutscher Behindertenrat organisierten Verbände haben also einige Erfolge vorzuweisen. Auch in Zukunft werden sie sich dafür einsetzen, dass die Feststellung einer Behinderung auch künftig unter Berücksichtigung einer Hilfsmittelversorgung erfolgen wird und dass die Festellungsbescheide in bestimmten Fällen nicht von vornherein befristet werden.
Das BMASkurz fürBundesministerium für Arbeit und Soziales wird den Entwurf zur Versorgungsmedizin-Verordnung nun überarbeiten und dann erneut den Verbänden zur Stellungnahme und Anhörung vorlegen. Einen konkreten Zeitplan dafür gibt es bisher noch nicht. Bereits im vergangenen Herbst hatte der VdK an einer Verbändeanhörung zum Thema teilgenommen und dort seine Position deutlich gemacht. Zuvor hat der VdK eine Stellungnahme zum Referentenentwurf verfasst.