Riester-Verträge ohne Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
Riester-Verträge dürfen frei von gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bleiben, das gilt für Kapitalleistungen aus einer als betriebliche Altersversorgung abgeschlossenen Direktlebensversicherung aber nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird damit nicht verletzt, so das Bundessozialgericht.
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat ein wichtiges Urteil zum Thema Altersvorsorge und Zahlen von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung gefällt. Dem BSG lag folgender Fall vor: Geklagt hatte eine heute 65-jährige Frau aus Niedersachsen. Sie hatte 2013 aus zwei im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen privaten Direktlebensversicherungen insgesamt 57.678 Euro ausgezahlt bekommen.
Ihre Kranken- und Pflegeversicherung erhob auf die Kapitalleistung Kassenbeiträge. Der Auszahlungsbetrag wurde auf 120 Monate verteilt. So ergab sich ein monatliches Einkommen in Höhe von 480,65 Euro. Auf diesen Betrag forderten die Krankenkasse und Pflegeversicherung zusammen 84,35 Euro an Kassenbeiträgen.
Keine Beiträge auf Riester-Verträgen: Verstoß gegen Gleichheit?
Die Klägerin hielt dies für ungerecht. Sie habe beim Abschluss der Direktlebensversicherungen darauf vertraut, dass auf den Auszahlungsbetrag keine Kassenbeiträge fällig werden. Es sei zudem gleichheitswidrig, dass seit 2018 Leistungen aus Riester-Verträgen beitragsfrei bleiben, Kapitalleistungen aus einer privaten, im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktlebensversicherung dagegen nicht.
Doch vor dem BSG hatte ihre Klage keinen Erfolg. Die Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt, befanden die Kasseler Richter. Der Gesetzgeber habe mit der Beitragsfreiheit bei Riester-Leistungen kleine und mittlere Betriebe dazu bringen wollen, diese Form der Altersversorgung auszubauen. Gerade Geringverdiener sollten so die Möglichkeit erhalten, neben der Basis-Rente sich ein neues Standbein aufbauen zu können.
Diese, mit der Beitragsfreiheit einhergehende Privilegierung stelle auch keine unverhältnismäßige Begünstigung dar, so das BSG. So habe die Klägerin auch bei ihrer privaten Direktlebensversicherung in der Ansparphase steuerliche Vorteile gehabt. Die Klägerin aber kündigte an, voraussichtlich Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen (Az.: B 12 KR 19/18 R).
Interview mit Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrechtsabteilung des VdK
Unser Experte Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrechtsabteilung des VdK, ordnet das Urteil für uns und unsere Leserinnen und Leser ein.
vdk.de: Das Urteil des BSGkurz fürBundessozialgericht bestätigt, dass Riester-Verträge beitragsfrei sind. Warum gilt dies nicht für Direktlebensversicherungen etwa aus der betrieblichen Altersvorsorge?
Jörg Ungerer: Das BSGkurz fürBundessozialgericht hat ausgeführt, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei, weil der Gesetzgeber durch die Riesterrente die Altersversorgung in kleineren und mittleren Betrieben fördern und damit Arbeitnehmern mit kleinem Einkommen die Möglichkeit einer zusätzlichen Rente neben der gesetzlichen Rente bieten wollte. Auch behandelt der Gesetzgeber die unterschiedlichen Betriebsrentenarten im Wesentlichen gleich. Während die privaten Direktlebensversicherungen in der Auszahlungsphase der vollen Beitragspflicht unterlägen, erfolge die Zahlung in die Riesterrente bei der Ansparphase aus einem bereits vollständig verbeitragtem Entgelt.
vdk.de: Was können diejenigen tun, die beitragspflichtige Produkte abgeschlossen haben? Kann man der Verbeitragung irgendwie entgehen?
Jörg Ungerer: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Beitragsfreiheit nur gegeben, wenn der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen wird und der Arbeitnehmer in die Stellung des Versicherungsnehmers einrücke. Man kann somit der Verbeitragung entgehen, wenn man Versicherungsnehmer des Direktlebensversicherungsvertrags wird und die Beiträge nicht über den Arbeitsgeber abführt, sondern privat bezahlt.
vdk.de: Gerecht sind die unterschiedlichen Regeln zur Verbeitragung nicht. Könnte da das Bundesverfassungsgericht helfen?
Jörg Ungerer: Auch unser Verband hält die unterschiedlichen Regelungen nicht für verfassungsgemäß. Wir hatten daher mehrere Verfahren in unterschiedlichen Fallkonstellationen bis zum Bundesverfassungsgericht geführt. Nach der jetzt vom BSGkurz fürBundessozialgericht verhandelten Klage hat die Klägerin angekündigt, Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Ob das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde zulässt und ggf. seine bisherige Rechtsansicht ändert, bleibt abzuwarten.