Mär vom „aufgeblähten Sozialstaat“
Manche Politikerinnen und Politiker sprechen von einem übergroßen Sozialstaat und explodierenden Sozialausgaben. Eine Analyse zeigt aber, dass die Sozialausgaben in Deutschland in den vergangenen Jahren nur mäßig gewachsen sind.
Hilfebedürftige Menschen müssen angemessen unterstützt werden
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat kürzlich ein Sozialausgaben-Moratorium gefordert, damit der Sozialstaat nicht immer weiter wächst. Das Externer Link:Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung kommt in seiner Analyse zu diesem Ergebnis: „Wer von einem ungebremst wachsenden Sozialstaat spricht oder davon, dass der Staat generell immer weiter aufgebläht werde, verbreitet eine Mär, die nicht durch Fakten gedeckt ist“
, so Prof. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMKkurz fürInstitut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Sein Datencheck hat ergeben, dass der deutsche Sozialstaat im internationalen und im historischen Vergleich weder besonders groß noch besonders stark gewachsen ist.
Das IMKkurz fürInstitut für Makroökonomie und Konjunkturforschung kommt zu dem Schluss, dass die Sozialausgaben in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern in den Jahren von 2002 bis 2022 nur moderat gewachsen sind. Mit 26 Prozent zählt Deutschland zu den Ländern mit dem geringsten Wachstum. In Belgien stiegen die Sozialausgaben in diesem Zeitraum etwa um 54 Prozent und beim Spitzenreiter Neuseeland um 136 Prozent.
Verlässlicher Sozialstaat schafft Vertrauen
Die Fachleute fanden auch keinen Hinweis darauf, dass der deutsche Sozialstaat schon vor 20 Jahren übergroß war und dies trotz geringen Ausgabenwachstums heute noch ist. Der Anteil der staatlichen Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIPkurz fürBruttoinlandsprodukt) liegt bei rund 26,7 Prozent und ist damit im Vergleich der Industrieländer unauffällig, so die Analyse.
Auch die Staatsquote, also der Anteil aller staatlichen Ausgaben am BIPkurz fürBruttoinlandsprodukt, lasse keinen Rückschluss auf einen aufgeblähten Sozialstaat zu. Sie lag im untersuchten Zeitraum bei 48,2 Prozent und damit geringfügig unter dem Durchschnitt der EU-Länder – und das trotz der staatlichen Hilfspakete der vergangenen Jahre infolge der Corona-Pandemie und des Externer Link:Ukraine-Kriegs.
„Diese Erkenntnisse sollten wir im Kopf behalten, wenn wir über gute Renten sprechen, über Menschen, die wegen einer Erkrankung nicht mehr arbeiten können, oder über Kinder, denen aus Geldmangel die Teilhabe in der Gesellschaft verwehrt ist“
, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele zur Analyse des IMKkurz fürInstitut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Ein verlässlicher Sozialstaat, der diejenigen nicht im Stich lässt, die auf Hilfe angewiesen sind, schafft Vertrauen. „Statt die Gesellschaft weiter zu spalten, sollten alle Spielräume genutzt werden, um Menschen, die Unterstützung brauchen, angemessen zu fördern“
, so Bentele.